Morgen zusammen!
betalbatim hat geschrieben:Willo hat mich gebeten mal über meine Aussagen nachzudenken, um das Gleiche möchte ich euch beiden bitten.
Na, klar.
betalbatim hat geschrieben:Deshalb verstehe ich auch nicht ganz warum ihr (Conny und Willo) so mimosenhaft reagiert, wenn man euer Arrangement mit dem Alkohol nicht gut heißt.
Darum geht es mir nicht, darauf reagiere ich auch eigentlich nicht mimosenhaft. Mir ist klar, das nicht jeder meine Sicht auf die Welt teilt, das passt schon so. Ich erlaube mir aber, meine Sicht auf die Welt zu äußern und ggf. auch mal zu verteidigen oder zu begründen. Ich versuche, jedem anderen genau dies auch zuzugestehen.
Die, die weiter trinken und es hier auch noch kundtun und es versuchen zu rechtfertigen, helfen denen die Hilfe zur Selbsthilfe suchen überhaupt nicht, sondern schaden.
Es sind Aussagen wie diese, die mich verletzen und auf die ich dann verletzt reagiere. Denn da steht für mich: "wer so denkt wie Du, gehört hier nicht her. Denk' um oder verschwinde!"
Und solche Gruppen oder Foren gibt es schon genug.
betalbatim hat geschrieben:Steht da eine mir nicht erklärbare Absicht dahinter???
Ja. Zwei.
Absicht 1: Mir hilft schreiben, weil ich dabei meinen eigenen Verhaltensintentionen leichter auf die Spur komme, als wenn ich Auto fahre oder Kartoffelpuffer brate. (Fast) Alles, was ich hier schreibe, ist für mich auch therapeutisches Schreiben.
Absicht 2: Ich habe Gründe für meinen Alkoholkonsum. Es mag sein, dass Sucht letztlich eine biologisch (genetisch?) bedingte GABAerge Fehlfunktion ist, das weiß ich nicht. Aber was ist Problemtrinken? Ich muss für mich anerkennen, dass ich wohl nicht "süchtig" bin und es auch nie war. Ich kann (fast) jederzeit aufhören, habe nie nennenswerte körperliche Entzugserscheinungen gehabt, habe nie einen Kater weggetrunken, nie Krankenhaus, nie auffällig geworden, nie zwei Tage hintereinander getrunken, nie "runtergetrunken". Dennoch kam ich in Spitzenzeiten auf einen Alkoholkonsum von etwa 900-1000 ml Reinalkohol pro Woche. (Laut WHO wären etwa 120 Gramm die Grenze. Für Rechenfaule: 1000 ml Reinalkohol sind etwa 25 Liter Bier oder 14 Flaschen Wein).
Und, ich kann zwar "jederzeit aufhören", also heute nichts trinken oder nach zwei Gläsern Schluss machen. Aber mit meinem Wochenschnitt, mit dem konnte ich eben nicht aufhören.
Es würde jetzt zu weit führen, meine ganzen Gründe aufzuzählen. Vereinfacht: mein Real-Selbst ist zu weit weg von meinem Ideal-Selbst)* (schöne Persönlichkeitstheorie von
Carl Rogers).
Und obwohl ich jedem jederzeit unterschreiben würde, dass die zufriedene Abstinenz das beste ist, was einem Ex-Alki passieren kann (das habe ich auch oft genug
geschrieben und bin dafür auch nur - und sogar über Forengrenzen hinweg - angefeindet worden): diese Probleme bleiben - zumindest bei mir - bestehen. Und da kann ich nicht der Einzige sein.
Es kommt noch schlimmer: da diese Probleme bestehen bleiben, bleibt auch die Sehnsucht nach der altbewährten Lösung bestehen.
Zufriedene Abstinenz ist mir über einen längeren Zeitraum nie gelungen. Ein paar Tage, ab und zu auch mal mehrere Wochen. Aber nie dauerhaft.
Und dann wird die Sehnsucht übermächtig. Und dieses Verhalten
vergrößert die Diskrepanz zwischen Real-Selbst und Ideal-Selbst noch. Neben allen anderen Schwächen und Fehlern kommt dann auch noch dieses "Versagen" dazu.
Das, was das Problem eigentlich lösen sollte, vergrößert das Problem noch.
Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich so einzigartig bin, dass dieses Problem außer mir niemand hat. Und für die schreibe ich auch mit, Absicht 2, mit der Kernaussage: wenn es mit der Abstinenz partout nicht gehen will, dann schau' mal auf meinen Weg. Ich kam von wöchentlich 900 ml Reinalkohol, besorgniserregenden Leberwerten und tiefen Depressionen zu 150-250 ml Reinalkohol, sauberen Laborwerten und Lebensfreude.
Letztendlich ohne Medikamente, nur mit Selbstreflexion.
Das ist ein "Trinken in eigenen Grenzen" in Abgrenzung zum "Trinken innerhalb von durch fremde Menschen vorgegebene Grenzen". Es ist nicht "Trinken ohne Grenzen".
Was die Besucher des Forums, die Neulinge und die Mitleser angeht: die sind alle erwachsen. Alkoholiker werden von der Gesellschaft sowieso pauschal entmündigt, da muss ich nicht auch noch mitmachen. Jeder darf meine Berichte lesen, sich an den Kopf tippen und abstinent leben, kein Problem. Aber vorenthalten werde ich sie ihnen auch nicht. Es kann dann ja jeder für sich entscheiden, was er davon hält.
betalbatim hat geschrieben:Bin mit Conny, willo, argentina, susanne, rockine und vielen anderen mehr als virtuell eng verbunden, trotz oder gerade wegen kontroverser Diskussionen.
Ich würde mir nicht die Mühe machen, mich Dir wieder und wieder zu erklären, wenn es mir nicht ebenso ginge.
Dennoch triggert mich eine solche Diskussion auch, daher gehe ich jetzt wieder in Forenabstinenz. Aber sicher nicht für ewig.
LG und schöne Zeit
Willo
)* Nachtrag: sollte ich meine Therapie benennen, dann so: Verringere die Differenz zwischen Ideal-Selbst und Real-Selbst, dann verringert sich der Alkoholkonsum. Im Gegensatz dazu heißt die "Standard"-Vorgehensweise: verringere den Alkoholkonsum, dann verringert sich die Differenz zwischen Ideal und Real. Im Grunde vertausche ich also nur die abhängige und die unabhängige Variable, und das ist beim Korrelationsdesign, das per se keine Kausalitätsaussage gestattet, erlaubt