Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Eigene Erfahrungsberichte zu Baclofen und Alkohol
Benutzeravatar

Thread-Starter
Dr_Domuch
Beiträge: 35
Registriert: 3. Dezember 2013, 14:11
Hat sich bedankt: 5 Mal
Danksagung erhalten: 37 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Dr_Domuch » 18. Dezember 2013, 14:30

Eigentlich hätte ich gern die Zeit, alle verfügbaren Daten komplett aufzubereiten und als Brühwürfel einzustellen, der Alltag hat da aber eine andere Meinung.

Daher werde ich in loser Folge mal die wichtigsten Erfahrungen aus der Psychologischen Praxis zusammenschreiben, da sie meiner Ansicht nach sowohl für die Betroffenen als auch für andere PP und Meds interessant sind.

"Kölner Behandlungsplan":



*RuN: Risiken und Nebenwirkungen
**weitgehend basierend auf: http://www.charakterstaerken.org/

Behandlungsziel: medikamentenfreie, zufriedene und bewusste Abstinenz nach spätestens 24 Monaten, Einsicht in Krankheitsverlauf und -nutzen, Erkennen der krankheitsauslösenden Momente, Bewusstsein und Einsatzfähigkeit von eigenen Stärken, Alternativstrategien zum Umgang mit Triggern, Lebensfreude.

Baclofen: nach Leitfaden bis 100mg/d (stillschweigend geduldet 125 mg/d) oder persönlichem Befinden.
Ausschleichend ab Monat 18.
Bei Rückfällen je eine Behandlungsstufe zurück. Rückfall = Alkoholkonsum >1 Tag oder ≥ alte Trinkmenge oder eig. Empfinden des Patienten.




*Pat. 15 = extreme Binge-Trinkerin, Umstieg auf Selincro® geplant

Das sind beachtliche Erfolge, verglichen mit den sonst Erreichbaren bestenfalls 40% bei traumatiserten Klienten. 8 von 13 abgeschlossenen Behandlungen führten zu Abstinenz, 1 von 13 zu moderatem Konsum, 2 von 13 sind als gescheitert zu betrachten, 3 von 13 haben die Behandlung abgebrochen.

Allerdings ist zu beachten, dass zu mir vorwiegend Klienten mit (zumindest Vedacht auf) Psychotrauma kommen und nicht primär Suchtkranke. Zudem ist die aus der Hoffnung auf Heilung begründete Motivation bei Baclofenklienten als möglicherweise moderierender Faktor zu beachten und alle Klienten stammen aus stabielm sozialem Umfeld und gesicherten Verhältnissen (Privatpraxis).

Ich werde als nächstes die Zahlen meiner Wiener Partnerpraxis zusammenschreiben, das dauert aber.
Bei Rückfragen gern da.

LGDD
edit: Tabelle aktualisiert 3/2014
Zuletzt geändert von Dr_Domuch am 25. März 2014, 17:31, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar

DonQuixote
Beiträge: 5159
Registriert: 15. Dezember 2011, 14:48
Hat sich bedankt: 713 Mal
Danksagung erhalten: 831 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN
Kontaktdaten:

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon DonQuixote » 18. Dezember 2013, 19:45

Hi DD

Vielen herzlichen Dank für diesen Erfahrungsbericht aus der eigenen Praxis. Es fällt auf, dass in Deutschland offenbar ähnliche Erfolge wie in Frankreich und dies mit deutlich geringerer Medikamentendosis gelingen. Zur Erinnerung: In Frankreich beträgt die mittlere Dosis rund 150 mg / Tag. Wobei der direkte Vergleich auch nicht so einfach ist, denn die Datenbasis für Deutschland ist extrem viel kleiner, geschätzt um den Faktor 20 bis 40.

Woraus ergibt sich die Beschränkung auf bisher 100 (ev. 120) mg/Tag? Sind es die bisher guten Erfahrung, die man mit dieser Dosis gemacht hat, oder sind es Sicherheitsbedenken? Würden solche Sicherheitsbedenken zerstreut werden können, falls in Frankreich demnächst eine vorgezogene Zulassung (RTU) für das Medikament mit deutlich höheren Dosierungen erteilt würde? In bisher bekannt gewordenen Entwürfen zur RTU ist immerhin von einer Tagesdosis um 200 mg die Rede.

Fragt DonQuixote

Benutzeravatar

Suse
Beiträge: 722
Registriert: 15. Mai 2013, 19:34
Hat sich bedankt: 45 Mal
Danksagung erhalten: 94 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin eine FRAU

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Suse » 18. Dezember 2013, 22:59

Hallo Dr. Domuch,

auch wenn 18 Patienten natürlich nicht repräsentiv sind, so wäre das Ergebnis doch beeindruckend - würde man es hochrechnen können...bedenkt man, dass ansonsten 80-90% aller Alkis rückfällig werden...

Mich persönlich würde interessieren, was genau "traumatisiert" bedeutet. Wenn ich an die Geschichte von Frauen denke, die über Jahre irgendwo eingesperrt und missbraucht wurden, fühle ich mich eher verarscht, wenn mir ein Psychotherapeut erzählt, ich solle traumatisiert sein...weil etwa meine Eltern getrunken haben oder weil mein Bruder mich psychisch und emotional ausgenutzt oder zu Kinderzeiten körperlich misshandelt hat...

Wie genau lautet die Definition für traumatisiert?

Oder ist das nur ein persönliches Empfinden?

Danke für deinen Bericht und beste Grüße, Suse
Früherer Name: Desperatio

Plötzlich konnte ich sehen und ich war froh. Doch was ich sah, gefiel mir nicht. Ich lerne, neu zu sehen. Suse

Benutzeravatar

DonQuixote
Beiträge: 5159
Registriert: 15. Dezember 2011, 14:48
Hat sich bedankt: 713 Mal
Danksagung erhalten: 831 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN
Kontaktdaten:

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon DonQuixote » 18. Dezember 2013, 23:23

Hi Suse

Gute Frage. „Traumatisierung“ und deren Verarbeitung sind natürlich sehr individuell, die genauen Definitionen schwierig. Einen Versuch macht jedenfalls Wikipedia.

DonQuixote

P.S. Sorry, DD, vorgegriffen zu haben

Benutzeravatar

Argentina1
Beiträge: 540
Registriert: 16. April 2012, 00:50
Hat sich bedankt: 87 Mal
Danksagung erhalten: 59 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin eine FRAU

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Argentina1 » 19. Dezember 2013, 01:53

Dr_Domuch hat geschrieben:Allerdings ist zu beachten, dass zu mir vorwiegend Klienten mit (zumindest Vedacht auf) Psychotrauma kommen und nicht primär Suchtkranke.


Buenas Noches Dr. Domuch,

Heute morgen (meine Zeit) habe ich ein Dankeschön an diesen Bericht gegeben, aber dieser Satz ließ mir den ganzen Tag keine Ruhe. Wo liegt denn die Grenze zwischen Klienten mit Psychotrauma und primären Suchtkranken? Wird, egal was der Klientel nun ist die gleiche Behandlung durchgeführt? Und wenn ja warum und wenn nicht was sind die Alternativen?

Lg Argentina

Benutzeravatar

Thread-Starter
Dr_Domuch
Beiträge: 35
Registriert: 3. Dezember 2013, 14:11
Hat sich bedankt: 5 Mal
Danksagung erhalten: 37 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Dr_Domuch » 19. Dezember 2013, 05:12

Danke für das Interesse!

PTBS
komplexe PTBS
ICD-Definition (F43.X)
ICD-10 F43 hat geschrieben:ein außergewöhnlich belastendes Lebensereignis, das eine akute Belastungsreaktion hervorruft, oder eine besondere Veränderung im Leben, die zu einer anhaltend unangenehmen Situation geführt hat und eine Anpassungsstörung hervorruft. Obwohl weniger schwere psychosoziale Belastungen ("life events") den Beginn und das Erscheinungsbild auch zahlreicher anderer Störungen dieses Kapitels auslösen und beeinflussen können, ist ihre ätiologische Bedeutung doch nicht immer ganz klar. In jedem Fall hängt sie zusammen mit der individuellen, häufig idiosynkratischen Vulnerabilität, das heißt, die Lebensereignisse sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten und die Art der Krankheit zu erklären. Im Gegensatz dazu entstehen die hier aufgeführten Störungen immer als direkte Folge der akuten schweren Belastung oder des kontinuierlichen Traumas. Das belastende Ereignis oder die andauernden, unangenehmen Umstände sind primäre und ausschlaggebende Kausalfaktoren, und die Störung wäre ohne ihre Einwirkung nicht entstanden.

Hervorgehoben von mir: Abgrenzung Trauma zu "life events".

Diagnostische Kriterien

Der Begriff des psychischen Traumas wird in der Öffentlichkeit - und auch in Therapeutenkreisen - inflationär gebraucht. Die Eckpunkte sind noch verständlich. Ein Kind, das von seinem größeren Bruder eins auf die Nase gekriegt hat, ist davon üblicherweise nicht traumatisiert. Ein Vater, dessen Familie vor seinen Augen vom Tsunami weggespült wurde, üblicherweise schon.
Die Übergänge sind natürlich nicht immer leicht zu erkennen, häufiges Problem: Gewalt in der Ehe, Trauma oder nicht? Afghanistan-Soldat, der fürs Töten ausgebildet und darauf vorbereitet wird und nun damit konfrontiert wurde: Trauma oder nicht? Viel ist auch hier persönliches Erleben.
Ein fassbarer Unterschied zu anderen Störungen liegt darin, dass es eine eindeutig auslösende Erfahrung gab.

DonQuixote hat geschrieben:Woraus ergibt sich die Beschränkung auf bisher 100 (ev. 120) mg/Tag?

Das ist eindeutig Sicherheitsdenken von Seiten der Mediziner. Angefangen haben wir mit Obergrenze 75 mg/d, derempfohlenen Höchstdosis des Medikaments bei ambulanter Therapie. Höher wollten die verschreibenden Ärzte damals nicht gehen. Nachfolgend und mit wachsender Routine (ich bin mit meinen 18 Klienten ja nicht der einzige begleitende Therapeut, die Patientenzahl insgesamt dürfte so um die 120 - 150 liegen, von denen habe ich aber keine Daten) kam dann die Anweisung "nur in seltenen Fällen und in der Regel unter stationären Bedingungen sind Tagesdosen von 90 - 120 mg erforderlich" zum Tragen. Es handelt sich also im Grunde um Dosierungen nach Packungsbeilage.
Mein Eindruck ist aber auch, dass sich eine "gefühlte Erkenntnis" in den Arztpraxen breit macht, dass greifbare Veränderung - wenn denn eine eintritt - im Dosierungsbereich 50-75 mg beginnt. Passiert bis 100 mg/d gar nichts, passiert auch nichts mehr. Achtung: diese Einschätzung kann völlig falsch sein!

Ob eine Änderung der Zulassung in Frankreich daran viel ändern würde, ist schwer einzuschätzen. Ich glaube, dass damit die Zahl der verschreibenden Ärzte steigen würde, aber um eine massive Erhöhung der Dosierungen zu erreichen bräuchte es m.E. belastbare klinische Studien.

Der Unterschied zu den französischen Werten ist schwer greifbar, zu groß das Risiko, hier Äpfel und Birnen zu vergleichen. Möglicherweise: die stärkere Konzentration in Deutschland auf psychologische Begleitung (die Erklärung ist mir die liebste [biggrin] ), die klare Abstinenzarbeit in Deutschland, Konsum von Alkohol führt offenbar zu erhöhtem Baclofenbedarf für vergleichbare Wirkung, andere Patientengruppe (sozial stabil, i.d.R. therapeutische Vorerfahrung, eindeutige Auslöser, oft keine physische Abhängigkeit ausgebildet...). Dann kommt dazu, dass wir in Deutschland auch sehr kritisch mit Medikamenten sind und sie oft nur als Nebenwirkungsträger sehen. Die Patienten wollen auch gar nicht die dreifache Menge der angegebenen Höchstdosis schlucken.

Nochmal zur Erinnerung aus der Traumadefintion: Das belastende Ereignis oder die andauernden, unangenehmen Umstände sind primäre und ausschlaggebende Kausalfaktoren, und die Störung wäre ohne ihre Einwirkung nicht entstanden"
Im Gegensatz zu den Kollegen, die mit den primär Suchtkranken arbeiten, habe ich einen Fixpunkt, an dem ich ansetzen kann. Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Argentina1 hat geschrieben:Wird, egal was der Klientel nun ist die gleiche Behandlung durchgeführt?

Natürlich nicht. Die psychologische Arbeit ist per definitionem eine individuelle Therapie. Trotzdem gibt es natürlich erfahrungsgestützte Behandlungsrahmen, an denen man sich orientiert.

LGDD

Benutzeravatar

WilloTse
Beiträge: 1606
Registriert: 10. Januar 2012, 15:31
Hat sich bedankt: 326 Mal
Danksagung erhalten: 307 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon WilloTse » 19. Dezember 2013, 06:36

Moin DD & all!

Bitte entschuldige meine neugierige Nachfrage, aber hierüber bin ich gestolpert:
Dr_Domuch hat geschrieben:die Patientenzahl insgesamt dürfte so um die 120 - 150 liegen,

In welchem Umfeld? Ganze Region Köln-Bonn oder Köln/Wien? Kannst Du das irgendwie in einen Zusammenhang setzen, das würde mich brennend interessieren.

Dr_Domuch hat geschrieben:Im Gegensatz zu den Kollegen, die mit den primär Suchtkranken arbeiten, habe ich einen Fixpunkt, an dem ich ansetzen kann. Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Damit hast Du mir gerade unglaublich Mut gemacht. Danke!!

LG

Willo

Benutzeravatar

Thread-Starter
Dr_Domuch
Beiträge: 35
Registriert: 3. Dezember 2013, 14:11
Hat sich bedankt: 5 Mal
Danksagung erhalten: 37 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Dr_Domuch » 19. Dezember 2013, 09:32

Dieser Link ist mir heute morgen danebengegangen: Deutsches Institut für Psychotraumatologie, da kann man sich gut einlesen, wer möchte.

DIPT hat geschrieben:Eine Studie an der Universität Köln hat ergeben, dass Personen, die ein schweres Trauma erlitten haben und zur Risikogruppe für Langzeitfolgen im Sinne des PTBS gehören, in durchschnittlich nur 10 therapeutischen Sitzungen dauerhaft stabilisiert und geheilt werden können

Mit solchen Aussagen muss man natürlich kritisch umgehen. Wenn das immer so einfach wäre. Es zeigt aber, was ich oben schon sagte: unser Vorteil ist, dass unser Krankheitsauslöser benennbar ist.

WilloTse hat geschrieben:Kannst Du das irgendwie in einen Zusammenhang setzen,

Entschuldigung, das war verwirrend. Ich beziehe mich auf eine von mir aus Gesprächen und Kontakten mit Arztpraxen geschätzte Größenordnung. Ich habe erstmals von einer Kölner Praxis einen Baclofenpatienten weitervermittelt bekommen, vorher hatte ich von Baclofen noch nichts gehört. Der damals vom behandelnden Arzt vorgeschlagene grundsätzliche Behandlungsrahmen ist das, was ich oben als "Kölner Behandlungsplan" bezeichnet habe.

Insgesamt sind es 15 (? wenn mich die Erinnerung nicht täuscht, da müsste ich die Akten blättern) Praxen etwa von Düsseldorf bis Koblenz, mit denen derartige Kotakte bestehen/bestanden. Jede von ihnen hat über den DAumen 5 - 10 Baclofenpatienten von denen ich gehört habe, das war meine Zahl. Leider sind diese Praxen überhaupt nicht vernetzt, da kocht jeder sein eigenes Süppchen. Nicht dass die Psychologenschiene da besser wäre. Da ich innerhalb der Psychotraumatologie nochmal ziemlich spezialisert bin, kommen meine Klienten aus einem recht großen Einzugsbereich. Nach Wien fahre ich nur in ganz speziellen Fällen, in denen die Kollegin meint, mich zu brauchen, Da kann ich also zu der Arztsituation noch viel weniger sagen.

Jedenfalls hat mich das Thema interessiert, schon aus meiner eigenen Vorgeschichte, und da ich den Behandlungserfolg "Alkoholfreiheit bei traumatisierten Menschen" damit ungefähr verdoppeln konnte würde es mich freuen, wenn hier mehr Mediziner und Fachkollegen die Chancen sehen würden statt sich auf "funktioniert eh nicht" zurückzuziehen.

LGDD

Benutzeravatar

Argentina1
Beiträge: 540
Registriert: 16. April 2012, 00:50
Hat sich bedankt: 87 Mal
Danksagung erhalten: 59 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin eine FRAU

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Argentina1 » 19. Dezember 2013, 14:15

Dr_Domuch hat geschrieben:
Nochmal zur Erinnerung aus der Traumadefintion: Das belastende Ereignis oder die andauernden, unangenehmen Umstände sind primäre und ausschlaggebende Kausalfaktoren, und die Störung wäre ohne ihre Einwirkung nicht entstanden"
Im Gegensatz zu den Kollegen, die mit den primär Suchtkranken arbeiten, habe ich einen Fixpunkt, an dem ich ansetzen kann. Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor.


Damit kann ICH was anfangen und das muss ich erstmal verdauen! Die Tage dazu mehr in meinem Tread (wahrscheinlich).

Danke für die Auskunft!!!

Lg, Argentina

Benutzeravatar

Gartenwoelfin
Beiträge: 140
Registriert: 16. September 2013, 09:00
Hat sich bedankt: 36 Mal
Danksagung erhalten: 7 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin eine FRAU

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Gartenwoelfin » 20. Dezember 2013, 18:33

Guten Abend!

Dr_Domuch hat geschrieben: Ein Kind, das von seinem größeren Bruder eins auf die Nase gekriegt hat, ist davon üblicherweise nicht traumatisiert. Ein Vater, dessen Familie vor seinen Augen vom Tsunami weggespült wurde, üblicherweise schon.
Die Übergänge sind natürlich nicht immer leicht zu erkennen, häufiges Problem: Gewalt in der Ehe, Trauma oder nicht? Afghanistan-Soldat, der fürs Töten ausgebildet und darauf vorbereitet wird und nun damit konfrontiert wurde: Trauma oder nicht? Viel ist auch hier persönliches Erleben.


Da liegt der Knackpunkt, oder? Nur mal so als Beispiel: Es gibt Frauen, die nach einer Vergewaltigung achselzuckend weitermachen, und andere, die sich umbringen. Demnach wäre der Alkoholismus (Missbrauch/Abhängigkeit im Sinne der Definition als Selbstmord auf Raten) also "nur" eine der extremeren Reaktionsvarianten, oder nicht?

Beste Grüße,
die Gartenwölfin
__________________________________________________________________________________

Erst kommt der Wahn, dann die Größe. (Helmut Krausser)

__________________________________________________________________________________

Benutzeravatar

Thread-Starter
Dr_Domuch
Beiträge: 35
Registriert: 3. Dezember 2013, 14:11
Hat sich bedankt: 5 Mal
Danksagung erhalten: 37 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Dr_Domuch » 22. Dezember 2013, 06:10

Hallo
Gartenwoelfin hat geschrieben:die nach einer Vergewaltigung achselzuckend weitermachen

Vergewaltigungen führen ganz grob bei etwa 50% der (erwachsenen) Betroffenen zu Traumata, die therapeutisch behandelt werden müss(t)en. Es werden verschiedene Konstrukte diskutiert, die für die höhere/niedrigere Widerstandskraft von Individuen verantwortlich sein könnten. Selbstwirksamkeitserwartung und stabiles Umfeld stehen ganz oben auf der Liste.

Das ist ein hochspannendes Thema, auch therapeutisch. Wer sich interessiert -> google: Resilienzforschung

LGDD

Benutzeravatar

Argentina1
Beiträge: 540
Registriert: 16. April 2012, 00:50
Hat sich bedankt: 87 Mal
Danksagung erhalten: 59 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin eine FRAU

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Argentina1 » 27. Dezember 2013, 00:12

Dr_Domuch hat geschrieben: google: Resilienzforschung


Ich habe mich da mal ein bisschen durchgelesen und naja, das ich ein "Stehaufmännchen" bin hat mir schon mehr als einer gesagt und im Gegensatz haben mir auch viele gesagt das ich "meine Schicksalsschläge" immer herunterspiele - wo besteht denn da nun der Unterschied, bzw. was ist gesund "runterzuspielen" und was nicht oder macht man als "Stehaufmännchen" eh immer weiter?
Lg in den Abend (dort eher Nacht), Argentina

Benutzeravatar

Gartenwoelfin
Beiträge: 140
Registriert: 16. September 2013, 09:00
Hat sich bedankt: 36 Mal
Danksagung erhalten: 7 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin eine FRAU

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Gartenwoelfin » 27. Dezember 2013, 00:24

Liebe Argentina,

ich will nun Dr. Domuch keinesfalls vorgreifen, kann mir aber meinen Senf dazu nicht verkneifen: Das ist wahrscheinlich absolut individuell. Bei Dir kann ich nun nur nach dem gehen, was Du über Deinen letzten "Schlag" in Deinem Thread geschrieben hast - da war ich sehr überrascht, wie realistisch Du mit der Situation umgehst (nicht zuletzt, was Du über den notwendigen Selbstschutz in den derzeitigen Wochen (Monaten?) geschrieben hast), hatte aber auch den Eindruck, dass Du das etwas herunterspielst, vielleicht aber auch nur um des Forums willen? So von außen halt schwer zu sagen. Grundsätzlich würde ich's mal so formulieren: Stehaufmännchen ist so lange gesund, wie man selbst sich damit gesund fühlt (und nicht nur fühlen will - kleiner, aber essentiell wichtiger Unterschied!). Jenseits dieser Grenze ist Therapiebedarf. Dass manche sich unbedingt gesund fühlen wollen, obwohl sie es nicht sind, mag sich durch die übliche Abneigung gegen die Einsicht, krank zu sein, erklären.

Soweit, schöne Grüße,
Maria
__________________________________________________________________________________

Erst kommt der Wahn, dann die Größe. (Helmut Krausser)

__________________________________________________________________________________

Benutzeravatar

Argentina1
Beiträge: 540
Registriert: 16. April 2012, 00:50
Hat sich bedankt: 87 Mal
Danksagung erhalten: 59 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin eine FRAU

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Argentina1 » 27. Dezember 2013, 01:04

Hallo Gartenwölfin,
Was Dr. Domuch vor allem angesprochen hatte war die Resilienz eines jeden Menschen und jep davon habe ich noch nie was von gehört, ist aber wohl im Umgangsjargon nichts anderes als ein „Stehaufmännchen“.
Klar fühle ich mich nicht „gesund“ dabei was mir passiert ist, aber es ist merkwürdigerweise auch z.B. kein Grund mir nun jetzt 2 Liter pro Nach reinzukippen. Eher ein Schritt nach vorne…das Leben geht weiter und das ist NICHTS Neues für mich. Zum Glück, denke ich.
Lg Argentina

Benutzeravatar

Gartenwoelfin
Beiträge: 140
Registriert: 16. September 2013, 09:00
Hat sich bedankt: 36 Mal
Danksagung erhalten: 7 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin eine FRAU

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Gartenwoelfin » 27. Dezember 2013, 01:46

Argentina,

ich meinte ja nicht:
Argentina1 hat geschrieben:fühle ich mich nicht „gesund“ dabei was mir passiert ist

sondern: sich gesund mit dem eigenen Umgang mit den Geschehnissen zu fühlen.

Argentina1 hat geschrieben:aber es ist merkwürdigerweise auch z.B. kein Grund mir nun jetzt 2 Liter pro Nacht reinzukippen

Das klang in Deinem Thread etwas anders, eher, als würdest Du das derzeit schon aus Gründen der Sicherheit unterlassen (müssen). Bist Du Dir da selbst ganz sicher, warum Du das nicht machst? Kein Angriff, nur eine Frage.

Schöne Grüße,
die Gartenwölfin
__________________________________________________________________________________

Erst kommt der Wahn, dann die Größe. (Helmut Krausser)

__________________________________________________________________________________

Benutzeravatar

Argentina1
Beiträge: 540
Registriert: 16. April 2012, 00:50
Hat sich bedankt: 87 Mal
Danksagung erhalten: 59 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin eine FRAU

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Argentina1 » 27. Dezember 2013, 12:36

@Gartenwölfin,
Wahrscheinlich habe ich im Moment kein Bedarf danach mich zu betrinken? Denn habe ich allerdings schon lange nicht mehr, was eigentlich auch in meinem Tread steht. Ein traumatisches Ereignis muss ja auch nicht unweigerlich zu einem Rückfall führen, man kann ja auch das Positive daraus ziehen und glaube mir ist gibt mehr als eine positive "Nebenwirkung" nach so einer "Sache".
Lg Argentina

Benutzeravatar

Thread-Starter
Dr_Domuch
Beiträge: 35
Registriert: 3. Dezember 2013, 14:11
Hat sich bedankt: 5 Mal
Danksagung erhalten: 37 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Dr_Domuch » 28. Dezember 2013, 05:59

Hallo!
Argentina1 hat geschrieben:wo besteht denn da nun der Unterschied, bzw. was ist gesund "runterzuspielen" und was nicht oder macht man als "Stehaufmännchen" eh immer weiter

Das ist nicht immer leicht auszumachen. Psychologische Konstrukte - auch die Resilienz ist eines - haben i.d.R. Bandbreitencharakter. Es gibt nicht DEN Punkt, der gesund ist und das Darüber oder Darunter, das krank ist. Ich würde das Stehaufmännchen nicht zwingend als gesund oder resilient bezeichnen.

Im Grunde ist der Unterschied, betrachtet man das System, zwischen einem Knochenbruch und einem Seelenbruch nicht groß. Beides tut erstmal weh, beides kann problemlos verheilen und beides kann aber auch lebenslang zu Einschränkungen führen. Ausschlaggebend dafür, welche Richtung die Verletzung einschlägt, sind verschiedene Dinge. Im Falle Knochenbruch die Art des Bruches, das Alter des Patienten, die Konstitution, die Art der Behandlung usw. Nicht anders beim "Seelenbruch" auch hier geht es um Art, Alter, Konstitution und auch hier gibt es Faktoren, die die Heilung begünstigen, wie stabiles Umfeld, positive soziale Erfahrungen, stabiles, eher positves Selbstbild, Art der Behandlung usw.

Das "Stehaufmännchen" kann also sehr gesund sein, das verletzende Ereignis an seinen Platz im Lebensregal räumen und nach einer Zeit der Schonung die verletzte Stelle wieder mehr und mehr belasten, bis die Heilung abgeschlossen ist.
Für die Heilung kann aber auch eine längere Phase der Ruhe wichtig sein und das "Stehaufmännchen", dass alle Schmerzen ignoriert und getrieben von inneren Zwängen jedes Ruhebedürfnis missachtet, kann deutlich krankhafte Züge annehmen.

RunterSPIELEN würde ich generell als weniger gesund bezeichnen, denn hier wird ja (sich, anderen) etwas vorgespielt, was gar nicht existiert. Das Gegenteil davon wäre "Überbewerten", also aus jeder Mücke den berühmten Elefanten zu machen. Stellt man die Mücke in sein Lebensregal und präsentiert sie sich und anderen wieder und wieder als Elefant, besteht sicherlich die Notwendigkeit, sich diese Zuordnung nochmal genauer anzuschauen und sie zu korrigieren. Ebenso aber umgekehrt. Ächzt und kracht das Lebensregal aufgrund der Schwere eines Ereignisses und droht zusammenzufallen, man selbst präsentiert sich und anderen aber das Ereignis gar nicht oder redet es klein, besteht ebenso Korrekturbedarf.

Hier steht auch die Verbindung zum Alkohol als Trostpflaster für Seelenschmerz. Haut ein Ereignis so richtig rein und ich gehe abends mit den Kumpels einen Saufen und mich mal ausquatschen, was wäre dagegen zu sagen, so lange ich anschließend das Auto stehen lasse und keine Schlägerei anfange?
Wird aber jeder umgefallene Sack Reis zum auslösenden Ereignis ODER wird das eine Ereignis wieder und wieder und wieder Trinkgrund, besteht Handlungsbedarf.

LGDD

Benutzeravatar

agnesl
Beiträge: 117
Registriert: 31. Dezember 2012, 18:44
Danksagung erhalten: 7 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin eine FRAU

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon agnesl » 28. Dezember 2013, 13:39

hallo DR_Domuch,

zu deinem letzten Satz!
ich war in meinem Leben oft ein Stehaufweibchen und der Alkohol hat dann immer seine sedierende Wirkung gezeigt.
Doch seit ich wirklich versuche durch diese Welt ohne Alkohol zu kommen,sind es nicht die vielen physischen und psychischen Probleme die mir das Nichttrinken so schwer macht.
Es ist ganz einfach der SD der am Abend kommt.Es ist total schwer diese 3 Stunden zu überstehen.(meist 17-20°°)
Da ich seit nun ca.5 Wochen das Baclofen( nach mehreren Versuchen )wegen der starken Nebenwirkungen und einer
Kardiologischen-Untersuchung abgesetzt habe,fällt es mir wirklich wirklich schwer nicht zu trinken.
Nach der Untersuchung habe ich jedoch vor noch einmal mit echt kleine Dosen duchzustarten.
Muss dich jedoch auch loben!!Du hast deinen Beitrag sehr veranschaulicht rüber gebracht.
Denke,bei so manchen hier kommt es gut an,wenn ein Beitrag gut verständlich ist.
Bleib uns auf jeden Fall in 2014 erhalten
gruss
Agnesl

Benutzeravatar

Thread-Starter
Dr_Domuch
Beiträge: 35
Registriert: 3. Dezember 2013, 14:11
Hat sich bedankt: 5 Mal
Danksagung erhalten: 37 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Dr_Domuch » 30. Dezember 2013, 06:58

agnesl hat geschrieben:Da ich seit nun ca.5 Wochen das Baclofen( nach mehreren Versuchen )wegen der starken Nebenwirkungen und einer
Kardiologischen-Untersuchung abgesetzt habe,fällt es mir wirklich wirklich schwer nicht zu trinken.

Ja, das ist auch schwer. Das Muster durchbrechen ist eine gute Idee, ich kann zusätzlich empfehlen, etwas ,was Du sehr gerne machst und für Dich Belohnungscharakter hat, worauf Du Dich freuen kannst, auf 20 Uhr zu legen.

agnesl hat geschrieben:noch einmal mit echt kleine Dosen duchzustarten

Bitte versuche das unbedingt. Selbst, wenn Du wegen Nebenwirkungen nicht die gewünschte Dosierung erreichen kannst, ist jede Erleichterung gut.

LGDD

Benutzeravatar

Thread-Starter
Dr_Domuch
Beiträge: 35
Registriert: 3. Dezember 2013, 14:11
Hat sich bedankt: 5 Mal
Danksagung erhalten: 37 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Re: Erfahrungen aus der Praxis Dr_Domuch

Beitragvon Dr_Domuch » 25. März 2014, 17:56

Guten Tag!

Ich habe mich lange nicht gemeldet, zur Zeit habe ich sehr viel um die Ohren, da ich in eine Kommission zur Verbesserung der Ausbildung von Notfallseelsorgern berufen wurde. Eine wichtige und spannende Arbeit, aber ich merke auch, dass ich zu lange nicht mehr gelehrt habe.
Dr_Domuch hat geschrieben:Ich werde als nächstes die Zahlen meiner Wiener Partnerpraxis zusammenschreiben, das dauert aber.

Da muss ich einen Rückzieher machen, da die Daten für eine Dissertation benötigt werden und nicht vorab veröffentlicht werden dürfen.
Ich bin mit dem promovierenden Kollegen aber so verbleiben, dass ich in übergeordneter Verantwortung für alle Nutzer hier im Forum Nachricht gebe, wenn sich außergewöhnliche Änderungen oder Erkenntnisse ergeben, die mit bisherigem nicht vereinbar wären. Ich denke, das ist für alle die sinnvollste Lösung.

Insgesamt, so viel zu verraten sei mir gestattet, scheint in Wien die Dosierung im Schnitt etwas höher zu liegen als hier und das Verhältnis Abstinenz/kontrollierter Konsum geht mit einer 60/40 Verteilung wesentlich stärker in letztgenannte Orientierung.

Ich habe meine Nutzertabelle oben aktualisiert auf Stand 3/2014, aber drei neue Baclofennutzer noch nicht eingepflegt. Deren Behandlung hat erst vor wenigen Wochen begonnen.

LGDD


Zurück zu „Erfahrungsberichte“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast