Frankreich: Sensationelles Baclofenkolloquium angekündigt

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Frankreich: Sensationelles Baclofenkolloquium angekündigt

Beitragvon DonQuixote » 1. Mai 2013, 00:16

Ja, Ihr habt richtig gelesen, es IST sensationell [good]

Das Kolloquium findet am 03. Juni 2013 in Paris statt, präsidiert wird es von Prof. Didier Sicard, dem ehemaligen Präsidenten und derzeitigem Ehrenpräsidenten der Nationalen Französischen Ethikkommission, vergleichbar etwa mit dem Deutschen Ethikrat. Der Präsident wird jeweils vom französischen Staatspräsidendent für zwei Jahre (erneuerbar) eingesetzt und der derzeitige Präsident der Nationalen Französischen Ethikkommission ist Jean-Claude Ameisen, der Bruder von Olivier Ameisen.

Es werden teilnehmen:

  • Prof. Michel Reynaud und Prof. Philippe Jaury, die jeweiligen Studienleiter von ALPADIR und BACLOVILLE
  • Prof. Dominique Maraninchi, der Chef höchstselbst, vertritt den Standpunkt der Medikamentenzulassungs- behörde (ANSM).
  • Die Sichtweise der CNAMTS, dem französischen Gegenstück zur deutschen AOK, erläutert Dr. Alain Weill. Seine Position innerhalb der CNAMTS ist mir unklar, jedenfalls findet man ihn als Autor von zahlreichen hausinternen Publikationen.
  • Sylvie Imbert und Dr. Bernard Joussaume, Präsidentin respektive Präsident von Association Baclofène und AUBES, die das Kolloquim überhaupt erst ins Leben gerufen haben.
  • Die „Üblichen Verdächtigen“ wie Dr. Annie Rapp, Dr. Renaud de Beaurepaire, Prof. Bernard Granger, Dr. Patrick de La Selle und Dr. Pascal Gache, beides Co-Autoren des „Leitfadens“ sowie weitere Redner.
Das Kolloquium dauert von 09:30 bis 17:00 Uhr, von 12:00 bis 13:00 Uhr gibt es eine Pressekonferenz. Das vollständige Programm kann man sich hier ansehen. Da die Anzahl der Plätze beschränkt ist, werden bei der Anmeldung Ärzte und Therapeuten bevorzugt.

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Re: Frankreich: Sensationelles Baclofenkolloquium angekündigt

Beitragvon DonQuixote » 8. Juni 2013, 00:40

Soderle

Das erste Video ist online. Es ist der rund 15-minütige Vortrag von Prof. Dominique Maraninchi, dem Generaldirektor der französischen Medikamenten-Sicherheits und -Zulassungs- behörde (ANSM). Aus aktuellem Anlass, d.h. der offiziellen, wenn auch zeitlich auf drei Jahre beschränkten französischen „Vorab-Zulassung“ von Baclofen zur Behandlung von Alkoholismus, habe ich meine Bemerkungen zu diesem Vortrag woanders hingestellt.

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Re: Frankreich: Sensationelles Baclofenkolloquium angekündigt

Beitragvon DonQuixote » 10. Juni 2013, 05:56

Bonjour à tous

Es gibt ein weiteres Video, nämlich von der Eröffnung des Kolloquiums. Zunächst spricht Bernard Granger, Professor der Psychiatrie an der Université René Descartes (Paris). Er begrüßt unter den Anwesenden den Herrn Prof. Olivier Ameisen (00:32, warmer Applaus) und kündigt für 16:00 dessen im ursprünglichen Programm nicht vorgesehenen Vortrag an (02:01). Mal sehen, ob es davon auch ein Video geben wird. Prof. Didier Sicard, der ehemalige Präsident und derzeitige Ehrenpräsident der Nationalen Französischen Ethikkommission, spricht von 06:40 bis 11:46, erläutert seine Sicht der Dinge und hält einigen Anwesenden nochmal den Spiegel vor *autsch*.

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Re: Frankreich: Sensationelles Baclofenkolloquium angekündigt

Beitragvon DonQuixote » 10. Juni 2013, 06:28

Hallo erst mal

Und noch ein Video gips, nämlich das von der Pressekonferenz. Aus meiner Sicht nix neues, bekannte Fragen, bekannte Antworten. Schaut es Euch halt selber an.

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Re: Frankreich: Sensationelles Baclofenkolloquium angekündigt

Beitragvon DonQuixote » 17. Juni 2013, 08:26

Mes Dieux !

Die Associaction Baclofène hat jetzt so viele super interessante Videos zum Kolloquium eingestellt, dass ich gar nicht mehr hinterher komme. Wo also anfangen? Vielleicht ganz am Ende, mit dem Vortrag von Olivier Ameisen, der im offiziellen Programm gar nicht angekündigt war. Er sprach, wie gesagt, als letzter.

Anscheinend hatte er sich den ganzen Tag über viele Notizen für seinen Vortrag gemacht, denn diese Notizen trug er mit hohem Tempo vor. Mir kam es so vor, als dass er absolut nichts vergessen wollte, sich immer wieder in seine Notizen vertiefte, dabei unablässig weitersprach, noch mehr Tempo machte und das Publikum manchmal fast schon zu vergessen schien. Mich hat das sehr beeindruckt. Nach 09:30 Minuten hatte er, irgendwie selbstvergessen, alles gesagt. Jemand flüsterte ihm noch etwas zu und dann kam er zu einem, wie ich es empfand, sehr emotionalen Schluss.

Er bedankte sich bei allen, die ihn eingeladen haben, und hob nochmals diese vielen Wunder hervor, die das Medikament Baclofen bei so vielen Patienten hervorrufe. Sein Schlusssatz: „Natürlich ist es kein Wunder, weil es eben Wissenschaft ist. Aber es ist großartig!“ [Franz: „Bien sûr, ce n`est pas un miracle, parce que c`est scientifique.
Mais c`est merveilleux!“] (10:07)

Nachstehend die aus meiner Sicht wichtigsten Aussagen seines launigen, aber engagierten Vortrages. Er, der Vortrag, ist wie gesagt von extremer Dichte, Aussagen, ob direkt oder zwischen den Zeilen, wiederholen sich, so dass ich, fast schon wider Willen, teilweise auf eine genaue Angabe des Zeitstempels verzichten muss. Wer es genau wissen möchte, möge einfach nachfragen. Los geht`s:

  • Er sei glücklich, diesen wunderbaren Tag als Schlussredner beenden zu dürfen, und es sei unmöglich, alle Personen aufzuzählen, denen er dafür Dank schulde. Der Einzige, den er namentlich nennt, ist ein gewisser Pierre Steinmetz, der im Hintergrund "sehr viel für die Sache" getan habe, ohne sich je in den Vordergrund zu drängen. DQ: Ich nehme einfach mal an, er meint diesen Pierre Steinmetz, einen bekannten französischen Politiker, Kabinetts-Chef (Was ist das in Deutschland? Kanzleramts-Minister?) des Regierungschefs Jean-Pierre Raffarin von 2002 bis 2003, sowie derzeitiges Mitglied des Verfassungsrates seit 2004 (00:10)
  • Ich sagte eingangs, die Rede sei „launig“, und so legt der dann gleich los. Der Erteilung der RTU sieht er eher skeptisch entgegen. Wozu dienten denn noch alle diese Papiere, fragt er sich und das Auditorium, er sehe irgendwo noch eine psychische Blockade bei den Beteiligten, aber hoffentlich täusche er sich da (00:52). Dann zitiert er ein "englisches Sprichwort", welches er auf Französisch vorträgt, und ich in Deutsch wiedergebe: „Passt auf, wonach Ihr fragt, denn es könnte passieren, dass Ihr es erhält.“ Ja, mittelschweres Donnergrollen gleich zu Beginn. Aber das Publikum hat gar keine Zeit, darüber nachzudenken, das Tempo ist irre,
    erwähnte ich ja schon.
  • Er bezeichnet diesen Tag, der alle Akteure, auch die Patienten und Patientenvereinigungen, an einem Ort vereinigt, als glücklich und einzigartig, und hebt insbesondere hervor, dass Patienten endlich als solche anerkannt würden (01:16).
  • Es gibt nicht wenige Seitenhiebe auf die Französische „Mediziner-Klasse“. Er drückt sich gewiss diplomatischer aus als hier, aber die Botschaft ist deutlich vernehmbar.
  • Er betont immer wieder die Bedeutung und Wichtigkeit von Baclofen, als Medikament gegen Alkoholismus, und in dieser Eigenschaft als Graswurzelbewegung. O-Ton Olivier Ameisen: „Die Patienten sind nicht doof, und die Ärzte sind es auch nicht.“ Er streicht die Wichtigkeit der Medien hervor, die das Thema auf ein „verständliches Niveau herunterbrechen“, und bricht eine Lanze für die Patientenvereinigungen, die „Großartiges leisten“.
  • Ich sagte ja, der Vortrag sei „launig“. Also hier noch dieses Bonmot von Olivier Ameisen: „Ich publiziere nicht in französischen Journalen, die liest ja eh keiner, außer vielleicht jemand im Kongo“ (04:39). Und wieder: Er wartet nicht auf eine Reaktion des Publikums, sondern fährt in atemberaubendem Tempo fort, man ist als Zuhörer wie gebannt ...
  • In den USA, z.B., kümmere man sich nicht um RTU und so Kram, man verschreibe Baclofen und gut sei. Anm. DQ: Aus dem anglophonen Baclofen-Forum erahne ich zumindest, dass auch Ami-Land kein Baclofen-Schlaraffenland ist.
  • „Handelt politisch!“, ermuntert er die Zuhörer zum Schluss. „Fragt Euren Bürgermeister, Euren Bezirks- Euren Landtags- und Euren Bundestagsabgeordneten, was er von Alkoholismus und von Baclofen denkt. Er ist auf Eure Stimme angewiesen, er möchte wiedergewählt werden.“
Tja, furioser Auftritt von Olivier Ameisen. Aber war der so seltsam? Nach ein paar Wohlfühlmomenten gibt es noch viele weitere Vorträge auszuwerten, und ohne die mir angesehen zu haben, habe ich irgendwie das Gefühl, dass auch andere Akteure inzwischen die Schnauze voll haben und jetzt Taten statt Worte sehen wollen.

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Edit: Oh, hab ich ganz vergessen: Das Video des Vortrages von Olivier Ameisen gips hier ..

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Re: Frankreich: Sensationelles Baclofenkolloquium angekündigt

Beitragvon DonQuixote » 21. Juni 2013, 07:56

Oh …

DonQuixote hat geschrieben:Anm. DQ: Aus dem anglophonen Baclofen-Forum erahne ich zumindest, dass auch Ami-Land kein Baclofen-Schlaraffenland ist.

Ich habe aus aktuellem Anlass einem „Insider“ mal unsere Karte gezeigt. Der kriegte sich gar nicht mehr ein, die „Szene“ dort drüben handelt grad mal eine einzige Adresse. Auf dem ganzen Halbkontinent. Oups … [shok]

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Re: Frankreich: Sensationelles Baclofenkolloquium angekündigt

Beitragvon DonQuixote » 26. Juni 2013, 21:46

Hallo @all

Hier der Vortrag von Dr. Alain Weill. Er vertritt die staatliche Krankenversicherung CNAMTS, das französischen Gegenstück zur deutschen AOK. Seine genaue Position innerhalb der CNAMTS ist mir nicht bekannt, jedenfalls findet man ihn als Autor zahlreicher hausinterner Publikationen.

Die CNAMTS hat die Häufigkeit der Anwendung von Baclofen gegen Alkoholismus ermittelt, und zwar aufgrund der erstatteten Medikamentenkosten. Das sei eigentlich paradox, wie er selbst zugibt, denn für diesen Verwendungszweck sei das Medikament gar nicht erstattungsfähig (03:35). Alles nachstehende beruht also auf Zahlen von solchen erstatteten Verschreibungen. Von all den anderen Vorgängen mit Privatrezepten und Selbstzahlern hat die CNAMTS naturgemäß keine Kenntnis.

Zunächst bereits bekanntes, nämlich der enorme Anstieg der behandelten Patienten (Klassisch plus Alkoholismus) von 67‘000 in 2007 auf 117‘000 in 2012 oder der Verbrauch von Packungen, 1‘200‘000 auf 3‘100‘000. Bis 2007 seien diese Zahlen sehr konstant gewesen.

Neu und ziemlich eindrücklich: Zählt man nebst institutionellen Einrichtungen (Kliniken etc.) einmal nur die frei praktizierenden Ärzte, dann bilden die Allgemeinpraktiker mit rund 85 % die alles überwiegende Mehrheit (12:36). Sorgen bereitet Herrn Dr. Alain Weill der Umstand, dass zwar viele Allgemeinpraktiker Baclofen verschreiben, aber „im Durchschnitt nur an einen, zwei, drei oder vier Patienten“ (14:15). Es fehle somit die nötige Erfahrung.

Von 10‘000 verschreibenden Ärzten, und das sind nur die, die eine Medikamentenerstattung beantragt und erhalten haben, sind lediglich rund 500 Mitglied der Association AUBES, und nur die haben – offiziell – Zugang zum Baclofen-Leitfaden. Umso dringender ist, dass der nun wie angekündigt öffentlich zugänglich gemacht wird.

DonQuixote


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