Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

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Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon Amygdala5 » 29. April 2013, 21:45

Hallo Forum,

seit einigen Tagen trinke ich ja "nur" noch (Stark)bier und es geht mir echt viel besser. Wie in meiner Vorstellung beschrieben, ist mein eigentlicher Stoff Osborne. Seit Beginn des Jahres dann Wein und jetzt eben Bier. Mengenmäßig halte ich zwar das Level, aber promillemäßig habe ich halbiert und das spüre ich sowohl körperlich als auch mental positiv.

Mein Wohlbefinden speist sich nicht nur aus der reduzierten Promillemenge, sondern vor allem auch aus den Quellen, die ich hier im Forum vorfinde. Ich bekomme eine Idee davon, warum einem als Alki immer zu Selbsthilfegruppen geraten wird... Im RL habe ich das mit den Selbsthilfegruppen nach der Entgiftung mal probiert und schaudernd die Flucht ergriffen. Aber hier lese ich gerne, schmunzele oft und finde mich wieder - das ist echt schön! Und ich lerne eine ganze Menge über die Hintergründe von Sucht und deren Behandlung bzw. Nichtbehandlung...!!! Sehr spannend und auch wieder - beängstigend.

Aber: Im Supermarkt ertappe ich mich, wie ich auf den Stier starre...

Mir "schmeckte" der Wein sauer und das Bier jetzt ist bitter. Ich mag beides nicht wirklich und benutze es nur aus "Vernunftsgründen"... Mir ist halt schon klar: Brandy killt mich über kurz oder lang und irgendwie hänge ich schon am Leben... Und trotzdem liebäugele ich mit dem Stier...

Dieses "auf den Stier starren" - ist das jetzt Trinkwunsch oder Craving??

Und hilft dagegen das Bac?!?!

Ich mein': Ich trinke ja noch - zwar mit dem Ziel, ganz auszusteigen, aber wenn ich jetzt schon auf den Stier stiere - wie soll das werden, wenn ich ganz aufhöre???

Mir ist klar, momentan quasi an Krücken zu gehen und Lichtjahre davon entfernt zu sein, nüchtern zu leben. Ich versuche zu ergründen, ob es sich lohnt, meine Angst vor der Arztsuche und dem Medikament Baclofen zu überwinden und Bac zu probieren... Nachdem ich das Buch gelesen hatte dachte ich: Das ist es! Aber ganz so einfach scheint es doch nicht zu sein. Ich glaube, für mich ist es nicht damit getan, ein Rezept in die Hand zu bekommen und im Alleingang "meine" Dosis zu finden... Das macht mir zu viel Angst, da würde ich mir etwas mehr Unterstützung wünschen...

So weit der derzeitige Stand bei mir.

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon Chinaski » 29. April 2013, 22:55

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon GoldenTulip » 30. April 2013, 08:21

Liebe Amy,

Dieses "auf den Stier starren" - ist das jetzt Trinkwunsch oder Craving??


Das Craving (der unbezwingbare Drang, sich bis zu einem gewissen Level abzufüllen, hier mal salopp formuliert) dürfte durch das Bier abgedeckt werden, da ist Alk gleich Alk.
Und durch das langsame Runterpegeln, gewöhnt sich Dein Körper daran, immer weniger Alkohol als "normal" anzusehen und zu brauchen. Du beschreibst ja selbst, dass Deine Handlungsfähigkeit wieder gestiegen ist und Du Dich besser fühlst.

Auch der "Trinkwunsch" wird meiner Meinung nach dadurch schon abgedeckt- schließlich trinkst Du.

Dein Starren auf den Stier hat vielleicht den Hintergrund, dass eine emotionale Erinnerung an die schönen Momente aufkommt, wenn Du ein gewisses Osborn-Bewusstseins-Level hattest.
Sich wegbeamen aus dem schnöden Alltag, aus der Überforderung, eine Entrückung und Unberührbarkeit, die sich aus der Bewusstseinsverengung ergeben haben mag.
Und hier hilft Bac meiner Erfahrung nach nur sehr begrenzt (ggf. bei Hochdosierung in Ameisen-Portionen, k.A. nie probiert).
Der psychische Anteil, die Eigenleistung besteht (für mich) darin, Schritt für Schritt die "Instant-Lösung" durch Bordmittel zu ersetzen.
Anlässe, die mich zur Flucht verleiten, zu identifizieren. Einen neuen Umgang mit Situationen zu lernen, die mich überfordern. In den Beziehungen etwas zu ändern, damit es mir besser geht im Kontakt.
Mich meinen Ängsten zu stellen, alles das, was ich niedergesoffen hab, nach und nach hervorkommen zu lassen und mich dem zu stellen.
Der Stier ist jetzt noch die Verheißung "taking the easy way out". Alles andere ist auch erschreckend viel Arbeit, vor allem, wenn viel liegen geblieben ist.

Teil den Berg in kleine Häppchen auf und arbeite jeden Tag ein bisschen was ab, damit nimmst Du die dem Stier zugesprochene magische Macht, anscheinend auf einen Schlag alle Missempfindungen abstellen zu können.

Das Fiese ist: Das kann er tatsächlich - aber nur für ein paar Stunden, danach ist alles so wie vorher, plus Kater, Übelkeit, Depressivität und Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit.

Liebe Grüße
Conny
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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon Amygdala5 » 1. Mai 2013, 08:02

Hallo Chinaski,

herzlichen Dank für Dein Willkommen! Die Angst über Bord zu werfen ist eine wirklich gute Idee und an manchen Tagen gelingt es mir sogar. Leider halten sich diese Tage bislang noch in Grenzen... Immerhin: Dank Eurer Hilfe wird es mir wohl zumindest gelingen, einen Arzt zu finden. Vorher jedoch muß ich mir klar darüber werden, ob ich wirklich bereit bin, Bac in den anscheinend erforderlichen hohen Dosen einzunehmen...

Liebe Grüße von Amy

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon Amygdala5 » 1. Mai 2013, 08:05

Liebe Conny,

Dein Posting beantwortet meine Frage auf den Punkt... Sehr lieben Dank dafür! Genau, es ist das "Wegbeamen", welches den Reiz des Stieres ausmacht. Und bei mir leider eben nicht nur dann, wenn der Alltag grau und öde ist, sondern bei jedweder emotionaler Hochspannung. Das fand ich sehr erhellend in dem Buch von Dr. Ameisen, dem ja von Therapeuten geraten wurde, zunächst möglichst lange emotional überbordenden Situationen aus dem Weg zu gehen. Augenblicklich arbeite ich daran, solche Situationen zu versachlichen, dabei hilft das Runterpegeln enorm! Und ja: Es ist schrecklich viel Arbeit, vor allem dem verheißungsvoll blinkendem "taking the easy way out" zu widerstehen fällt mir immer wieder schwer... Andererseits wächst mit jedem Tag, an dem mir dies gelingt, auch die Zuversicht und der Mut, was mir wiederum dabei hilt, standhaft zu bleiben - ich will ja die mühsam erarbeiteten reduzierten Tage nicht verlieren!

Und Du hast recht: Die magische Kraft des Stieres verliert sich ein Stück weit durch das Abarbeiten brach liegender Baustellen. Man darf nur nicht den Fehler machen, sich selbst unter Druck zu setzen...

Deine Antwort bestätigt mir meine hier angelesene Vermutung, dass Bac wahrscheinlich nur in hohen Dosen ein "Dingdong" im Kopf verursachen kann. Und ist es dann nicht wieder nur eine "Instantlösung"?!

Ich danke Dir!

Liebe Grüße
Amy

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon GoldenTulip » 2. Mai 2013, 08:47

Liebe Amy,

dass Bac wahrscheinlich nur in hohen Dosen ein "Dingdong" im Kopf verursachen kann. Und ist es dann nicht wieder nur eine "Instantlösung"?!
.

Das würde ich entschieden versuchen zu differenzieren. Wenn das Bedürfnis nach "Licht aus" so überwältigend groß ist und nur mit hoher Promillezahl erreicht werden kann, ist die "Ruhigstellung" mit Bac über Hochdosierung und Finden einer Erhaltungsdosis eine Frage der Lebenserhaltung.
Wenn man dann mit Hilfe dieser Auszeit anfängt, seine Baustellen zu bearbeiten, kann man auch so ans Ziel kommen. Das nüchterne Leben und die Realität hat einen dann ja wieder und man bekommt überhaupt erst die Chance, sich unalkoholisiert wieder im Leben einzufinden.

Wenn man aber wie ich - außer nach Exzessen- kein körperliches Craving verspürt und in emotional aufgeladenen Situationen zu "Instant" greift, statt andere zur Verfügung stehende Mittel zu nutzen, umging man (oder ich) das eigentliche Problem und sedierte sich mit Bac.

Das ist, was ich an anderer Stelle mit Craving, besser: Trinkwunsch als Seismograph für ungelöste Konflikte und unbefriedigte Bedürfnisse bezeichnet habe. Hier verschleiert Baclofen mehr als dass es mir nutzt. Und dann habe ich auch einfach mit Baclofen weitergetrunken, weil es eben gar nicht der springende Punkt war.

Wie bei einer Diät, wo man den ganzen Tag gesundes Zeug isst und egal wieviel davon man in sich reinstopft, der Hunger bleibt, weil eigentlich will man Pizza.
Hätte man die Pizza gleich gegessen, aber vielleicht nur die Hälfte [biggrin], litte man nicht ständig unter dem Gefühl des Mangels, der gar nichts mit Hunger zu tun hat, sondern mit etwas, das einen gefühlsmäßig zufriedenstellt.

Diese Bedürfnisse zu identifizieren und zu lernen, sie zu stillen, statt sie mit Alkohol einzuschläfern, ist meine Aufgabe.
Wenn ich das dann mit hochdosiertem Baclofen niederknüpple, hab ich vielleicht meine Ruhe, aber mehr auch nicht. Das "Eigentliche" fehlt immer noch, ist nur gut in Watte gepackt.

Gleichgültigkeit gegenüber Alkohol- das ist mir als Lebenssinn und -ziel zu wenig, als erster Schritt eröffnet es aber wohl für viele erstmals die Möglichkeit, sich überhaupt unbelastet von der Alkoholfixierung mal um etwas Substanzielles in eigener Sache zu kümmern.

Im Fazit stellt es sich als eine Frage der jeweiligen Perspektive und Absicht dar, und darum fallen die Antworten auch unterschiedlich aus, ob und wie Baclofen in welcher Dosis wem wann wobei helfen kann,

Meine Übersetzung von GGG (Geduld, Geduld, Geduld) : Wer nicht weiß, wo er ist, kann sich auch nicht verirren, das zum Trost

[twiddle]
Conny
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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon GoldenTulip » 2. Mai 2013, 10:03

Hallo Amy,

noch ein Nachtrag, weil wir da wohl sehr ähnlich empfinden.

Und bei mir leider eben nicht nur dann, wenn der Alltag grau und öde ist, sondern bei jedweder emotionaler Hochspannung.


Ich bin von einem virtuellen Freund darauf aufmerksam gemacht worden, dass die emotionale Reizüberflutung da her rühren könnte, dass ich eine HSP (Hoch-sensitive-Persönlichkeit) bin.
Das heißt, viele für andere normale Interaktionen und Empfindungen dringen bei mir viel ungefilterter ins System und verursachen Stress.
"Was hast Du nur, sei doch nicht so empfindlich und stell Dich nicht so an" waren häufig Kommentare von Personen aus meinem Umfeld, die mit einer robusteren Natur gesegnet sind.

Ich habe den Alkohol überwiegend als "Ersatzfilter" benutzt, um die Abgrenzung, die ich nach außen nicht geschafft habe, im Inneren zu installieren. Schotten dicht, sobald das Meer rau wird!

Hier mache ich mich derzeit an die mühselige Aufgabe, den Menschen, mit denen ich zu tun habe, zu verklickern, dass sie meine "Empfindlichkeiten" in dieser Hinsicht nicht mal unbedingt zu verstehen, aber zu respektieren haben.
Ich kann nicht jeden Abend mit Fernsehberieselung beschließen, das ist mir zuviel. Ich will dann lieber ein Buch lesen oder auf dem Balkon Löcher in den Nachthimmel gucken.

Falls Dir das Thema etwas sagt, gibt es ein sehr gutes Buch zum Thema Hochsensibilität und Grenzen setzen lernen:
http://www.amazon.de/Wenn-die-Haut-d%C3%BCnn-Hochsensibilit%C3%A4t/dp/3466308844/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1367481602&sr=8-1&keywords=sellin.

Das war ein Meilenstein für mich, und fiel mir ein, als Du von "jedweder emotionaler Hochspannung" geschrieben hast,

Lieben Gruß
Conny
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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon GoldenTulip » 2. Mai 2013, 12:03

Beharrlichkeit ist aktiver als Geduld. Das passt besser zu mir.
BBB.

Conny
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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon shadok » 2. Mai 2013, 15:13

salut,
GoldenTulip hat geschrieben:Das heißt, viele für andere normale Interaktionen und Empfindungen dringen bei mir viel ungefilterter ins System und verursachen Stress.
"Was hast Du nur, sei doch nicht so empfindlich und stell Dich nicht so an" waren häufig Kommentare von Personen aus meinem Umfeld, die mit einer robusteren Natur gesegnet sind.

Ich habe den Alkohol überwiegend als "Ersatzfilter" benutzt, um die Abgrenzung, die ich nach außen nicht geschafft habe, im Inneren zu installieren. Schotten dicht, sobald das Meer rau wird!

Hier mache ich mich derzeit an die mühselige Aufgabe, den Menschen, mit denen ich zu tun habe, zu verklickern, dass sie meine "Empfindlichkeiten" in dieser Hinsicht nicht mal unbedingt zu verstehen, aber zu respektieren haben.

shadok hat geschrieben:[...] halluzinogene waren aber nicht meine welt, weil sie mir die filterung meiner wahrnehmung, die ich suchte, nicht gaben. ich habe erst sehr viel später begriffen, dass ich keine bewusstseinserweiterung bzw. -veränderung brauche, sondern eher eine bewusstseinsreduzierung. alkohol blieb dabei logischerweise ein ständiger, sekundärer begleiter (in relativ geringen mengen), da er mir die reduzierung der reizüberflutung erlaubte. noch später, in der abstinenten zeit, habe ich gelernt, diese wahrnehmungsfähigkeit endlich auch positiv zu nutzen.

vielen dank für den buchtipp!

shadok

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon Amygdala5 » 3. Mai 2013, 07:47

Liebe Conny,

hochprozentigen Denkstoff hast Du mir da vorgelegt!!! "Gleichgültigkeit gegenüber Alkohol- das ist mir als Lebenssinn und -ziel zu wenig" hast Du geschrieben - ja, mir auch! Was mich ohne Umwege zu der Frage führte, was denn mein Lebenssinn und - Ziel sein könnte?! Eine gute Frage, deren vorläufige Antwort mich etwas erschreckt... Selbstliebe, Eigenverantwortung, Selbstbestimmung möchte ich erreichen. Selbstzerstörung möchte ich eliminieren. Einen Gedankensturm löst das in mir aus! Kaum zu glauben, dass ich bereits unzählige Psychotherapien hinter mich brachte, ohne jemals auf diese simple Wahrheit gestoßen (worden) zu sein...

Was "die emotionale Reizüberflutung" angeht hast Du ebenfalls recht. Ich hatte diesbezüglich vor einiger Zeit bereits einmal ein Buch in der Hand, welches ich aber nach den ersten Seiten beiseite legte. Es las sich wie das klassische Selbsthilfebuch und wurde - meinem Empfinden nach - der Thematik nicht gerecht. Deine Buchempfehlung habe ich jetzt bestellt und werde einen neuen Versuch starten! Vielen herzlichen Dank für Deine Inspirationen und Denkanstöße!!!

Den Stier nutzen, um die Schotten dicht zu machen - ja, das trifft es! Und "Löcher in den Nachthimmel gucken" ist eine prima Alternative! Besonders nach diesem langen, kalten Winter! [biggrin]

Das Schöne an meinem augenblicklichen Projekt ist die dazgewonnene Klarheit: Seit Jahren gelingt es mir wieder zu lesen! Und zwar in Büchern - nicht im Internet (außer hier im Forum). Trotzdem bleibt das "blingbling" des Stieres bislang erhalten, mal mehr, mal weniger nachdrücklich. Ich versuche es momentan auszutricksen, kippe mir Himbeersaft ins Bier um die Bitterkeit zu übertünchen und nicht der Versuchung nachzugeben. Bereite mir eine Mahlzeit zu, bevor ich eine Dose Bier öffne. Die letzten beiden Tage konnte ich unter meiner "Erhaltungsdosis" von drei Dosen bleiben. Für mich ist das ein Fortschritt. Die Tage sind jetzt länger für mich und es gelingt mir auch, einige kleinere Außenbaustellen abzubauen und Größere zumindest gedanklich anzugehen. An der Geduld muß ich noch arbeiten, denn ständig tauchen in meinem Kopf Stimmen auf: Das ist doch gar nichts, du trinkst nach wie vor, das wird so nichts, das kannst du auch gleich lassen und weiter machen wie bisher... Hmmmpf...

Wie läuft es denn mit Deinem Projekt?!

Liebe Grüße,
Amy

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon GoldenTulip » 3. Mai 2013, 09:12

Hallo Amy,

denn ständig tauchen in meinem Kopf Stimmen auf: Das ist doch gar nichts, du trinkst nach wie vor, das wird so nichts, das kannst du auch gleich lassen und weiter machen wie bisher...


Exakt das ist die Stimme des Alkohols, die Dich zum Aufgeben verführen möchte. Die möchte, dass alles beim Alten bleibt.
Du weißt ganz genau, dass 60 Prozent mehr Lebensqualität nicht Nichts sind.
Stell Dir Dein Innenleben mal für eine Zeit als Schlachtfeld vor. Hier ein Scharmützel, dort ein Bodengewinn, dann wieder taktischer Rückzug usw.
Es geht darum, einen Krieg zu gewinnen- und zwar durch die Erringung dauerhaften Friedens. Da wird verhandelt und gelogen, versprochen und gehofft, taktiert und ausgeruht. Das bleibt jetzt eine Weile der Normalzustand (falls man nicht wie die AA letztendlich beschließt, dass der Feind übermächtig ist, und nur die bedingungslose Kapitulation einem den Hintern rettet. Für diese Einsicht brauchten die meisten von denen allerdings auch Jahre und nicht einen Gedankenblitz).
Das kann als Ergebnis dabei herauskommen! Es macht ja auch keinen Sinn, mit einem Taschenmesser auf Panzer loszugehen.

Ich möchte Dich keineswegs ermutigen, auf kontrolliertes/ moderates Trinken zu setzen, das kann zu einer bösen Falle werden. Ich möchte Dich aber ausdrücklich ermutigen, jeden Fortschritt wertzuschätzen statt ihn abzuwerten.

Der Kopf ist schnell dabei, Entscheidungen zu treffen und Maximalforderungen aufzustellen. Das Problem dabei ist, dass sie realistisch in den seltensten Fällen tragfähig sind, weil noch ein ganzer Mensch da dran hängt.
Das "trockene Leben" muss wachsen dürfen, neue Trampelpfade im neuronalen System müssen begangen werden.
Das geht ab einem bestimmten Punkt nur mit der Erfahrung von Nüchternheit, weil man sonst "die andere Seite" (die soviel Angst macht) gar nicht kennt.

Aber- mit der Konzentration auf eine Sache (Nüchternheit) wächst gleichzeitig ihr Gegenteil. Der Energie ist es egal, ob Du sagst "Ich will Alkohol" oder "Ich will keinen Alkohol"- sie hört nur Alkohol.

Darum ist es so wichtig, langsam aber stetig den Focus davon abzulenken. Den 25. Trockengeburtstag im Kreise der Peergroup abzuhalten hält einen wohl ggf. nüchtern und schafft soziale Bindungen. Es bleibt aber Außenorientierung mit Blick auf den Alkohol. Ich finde das für die Leute völlig in Ordnung, allein, ich funktioniere so nicht.

Und wenn man nach einiger Zeit für sich die Fragen nach Lebenssinn und -erfüllung beantworten kann, tritt der Alkohol automatisch in den Hintergrund, weil er damit i.d.R. nicht kompatibel ist. Er fängt an zu stören und einzuengen, die Minientlastung ist es angesichts der übergeordneten Wünsche nicht mehr Wert.

Tja, diese Werte muss man sich erarbeiten, aber das "Blingbling" verliert seine Attraktion, glaub mir. Einfach mal zurückzwinkern, tja, Alter, nett Dich zu sehen, aber leider hab ich keine Zeit und Lust heute mit Dir den Tag zu verbringen, vielleicht ein andermal?

Amy, lies bitte auch andere Berichte hier, meine Umgehensweise ist nur eine, meine spezielle Art, nach jahrzehntelanger Abhängigkeit einen Ausstieg zu finden. Es kann viel leichter sein, einen radikalen Schnitt zu machen, als meine Rumhampelei auszuhalten (Das hat Dir der Teufel gesagt).

Ich bin weiterhin offen, wenn meine Herangehensweise keine Früchte tragen sollte, umzuschwenken und mich neu zu orientieren. Es kann gut sein, dass ich in 6 Monaten einsehe, das außer totaler Abstinenz mich nichts zum Ziel führt.
Trotzdem musste ich den Weg bis zu dieser Einsicht dann gehen, sonst hätte ich sie ja nicht gewinnen können [biggrin].

Ups, bisschen ins Reden gekommen, jedenfalls ist jeder Schritt von Dir in die richtige Richtung besser, als weiterhin in einer Nussschale steuerlos auf dem offenen Meer zu treiben,

rechne Dir diese Schritte zu und lass Dich nicht verrückt machen,

Leinen los und die Nase in den Wind,
Conny

ps: Zu meinem Projekt schreibe ich am WE etwas.
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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon Amygdala5 » 7. Mai 2013, 22:09

"Ich möchte Dich aber ausdrücklich ermutigen, jeden Fortschritt wertzuschätzen statt ihn abzuwerten."

Danke Conny!!!

...Ja, die Energie ist mächtig - allein, sie zu lenken ist schwer! [twiddle]

...Gestern hab' ich erstmals "zurückgezwinkert"!!! Ich hatte keine Zeit und keine Lust...!!! Ohne Deine humorvolle Schilderung wäre ich wohl nicht mal auf die Idee gekommen, einer Bierdose zuzuzwinkern und ihr einen Korb zu geben! [smile]

Und ja: Natürlich lese ich hier alle Berichte, die mir unter die Augen kommen, bzw. die mir ins Auge fallen! Aber Deine "spezielle Art", Deine bildreiche "Schreibe" spricht mich halt sehr an.

Augenblicklich zauder' ich wohl... Entgegen meiner Erwartung klappt mein Projekt ganz gut, ich könnte mal einen Schritt weiter gehen und mir mal strikt vornehmen, mindestens eine Woche lang nur zwinkern... Nur: Ich funktioniere so (auch) nicht... [nea]

Mir geht's wie Dir: Trinke ich nicht, stelle ich verwundert fest: Geht ja! Trinke ich - trinkt es mich... grumpfff...

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon Amygdala5 » 17. Mai 2013, 22:46

"...neue Trampelpfade im neuronalen System müssen begangen werden..." Herrgott - wie lange dauert das denn?!?! Bis dahin bin ich lange greisenmäßig unterwegs - kommt mir jedenfalls derzeit so vor... Ich bin soo schrecklich ungeduldig... Und unzufrieden mit mir. Objektiv betrachtet bin ich "brav", trinke weniger, "nur" Bier, zwischendrin gar mal einen Tag gar nix. Ein Tag ist ein Witz! Das muß gesteigert werden! Also kaufe ich eine Flasche Brandy und lasse sie heroisch unberührt - die zwei Halben zählen ja nicht... [sad]

Und am nächsten Tag trinke ich doch einen Brandy, kippe die Hälfte davon in den Ausguß und schiebe Bier nach. Das kann's doch nicht sein?! Alles ein Abwasch... Irgendwie komm' ich grad' nicht wirklich weiter. [ireful]

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon Papfl » 18. Mai 2013, 00:11

Hallo Amy!

GoldenTulip hat geschrieben:Ich möchte Dich aber ausdrücklich ermutigen, jeden Fortschritt wertzuschätzen statt ihn abzuwerten.

Hättest Du Dir vor einem Monat vorstellen können, dass Du Brandy einfach so in den Ausguss schüttest? Dass Du "nur" mit Bier klar kommst und sogar zwischendurch mal einen Tag ganz ohne was?

Ich kann mir denken, dass Du momentan ziemlich frustriert bist. Aber objektiv betrachtet hast Du in dieser kurzen Zeit schon eine ganze Menge erreicht [smile] .

Was tust Du denn zurzeit konkret, um "neue Trampelpfade" zu erkunden? So wie Du Deine aktuelle Situation schilderst, irrst Du mehr oder weniger etwas plan- und ziellos im Gestrüpp umher. Nicht falsch verstehen, das meine ich jetzt nicht böse. Ich spreche halt ganz gerne in Bildern [pardon] .

Vielleicht wird ein bisschen klarer, was ich meine, wenn ich etwas weiter aushole: Unser Bewusstsein, unsere Gefühle, unsere Gedanken, unsere Erinnerungen, unser Wissen, unsere Erlebnisse...all das und noch viel mehr sind in unserem neuronalen Netz miteinander verknüpft. Das kann man sich wie ein riesengroßes Spinnennetz aus Nerven, Neuronen, Synapsen, etc. vorstellen. Jede Wahrnehmung, jede Idee, jeder Gedanke usw. löst blitzschnell ein wahres Feuerwerk im neuronalen Netz aus. Jedes Individuum verknüpft nämlich seine Eindrücke anders. Wenn Du beispielsweise schon mal in Paris auf dem Eiffelturm warst und ein Bild von ihm siehst, werden Dir ganz andere Eindrücke durch den Kopf gehen als jemandem, der noch nie dort war.

Bleibende, besonders intensive und v. a. sich wiederholende Ereignisse und Erfahrungen hinterlassen "tiefere" Spuren im neuronalen Netz. Wenn man etwas immer wieder tut, festigt sich die Verknüpfung. Aus der Spur wird ein Pfad, aus dem Pfad ein Weg, aus dem Weg eine Straße und aus der Straße irgendwann eine asphaltierte Autobahn. Das könnte man dann auch "Gewohnheit" nennen. Vieles funktioniert dann, ohne groß drüber nachzudenken. Man hat es "verinnerlicht".

Wir Abhängigen haben im Laufe unserer Suchtkarriere verschiedene Autobahnen gebaut. Eine der bekanntesten und vielbefahrenen ist die "Ich habe ein Problem - ich trinke etwas - ich habe kein Problem mehr"-Route. Auch gern genommen wird die "Ich bin schlecht drauf - ich trinke was - ich fühle mich super"-Strecke.

Was ich aus Deinem Posting, @Amygdala5, gerade raus lese ist, dass Du gerne ans Ziel ("Ich habe kein Problem mehr" bzw. "Ich fühle mich super") willst, aber nicht genau weißt, wie Du da hin kommen sollst, weil Du ja die gewohnte Autobahn nicht mehr befahren möchtest.

Die Tatsache, dass Du überhaupt in der Lage bist, über alternative Strecken nachzudenken, verdankst Du einerseits Deinem Willen, etwas zu ändern bzw. der Einsicht, dass es so nicht weitergehen kann - und andererseits Baclofen, weil sie Dich davon abhalten, schnurstracks ins Auto zu springen und die Autobahn entlang zu brettern.

Was Du brauchst, sind neue Routen, um zur Problemlösung bzw. zum Wohlbefinden zu gelangen (das meint @Conny mit "Trampelpfaden"). Und die kannst nur Du selbst Dir bauen. Das geschieht aber nicht, in dem Du "einfach" nur weniger trinkst und "im Gestrüpp" sitzend abwartest. Du musst Deinem neuronalen Netz beibringen, dass man auch auf anderen Wegen zum "Gut-drauf-sein" gelangen kann. Was machst Du gerne? Was macht Dir Spaß?

Ich interessiere mich zum Beispiel mittlerweile wieder sehr für das Weltall, die Sterne, unsere Milchstraße. Eine Leidenschaft, die durch die Trinkerei vollkommen verschütt gegangen ist. Wenn es das Wetter zulässt, "pilgere" ich zur Sternwarte unserer Stadt und werfe dort einen Blick durchs Spiegelteleskop. Vorher habe ich mich natürlich übers Internet (z. B. hier) schlau gemacht, welche Phänomene mich möglicherweise erwarten...und ganz nebenbei spare ich auf ein eigenes Teleskop, weil ich dieses neue/alte Hobby reaktivieren möchte.

Ich habe mir also den neuen Trampelpfad "Mir ist langweilig - ich gehe Sterne gucken - Ich freue mich" geschlagen. Mit jedem Gang zur Sternwarte, jedem Blick auf die Astroseite im Netz, jedem Buch, das ich zum Thema lese, wird dieser Trampelpfad breiter. Er wird zum Weg, zur Straße, und vielleicht irgendwann sogar zur asphaltierten Autobahn.

Und das beste daran: Weil ich jetzt immer häufiger, wenn ich "gut drauf" sein möchte, meinen neuen Trampelpfad entlang gehe, wuchert die neuronale Autobahn "Ich bin schlecht drauf - ich trinke was - ich fühle mich super" langsam zu. Im Idealfall ist die irgendwann so zugewachsen, dass es viel mühsamer ist, sich da durchzuschlagen, als den neuen Weg (der vielleicht dann schon zur Autobahn geworden ist) zu nehmen.

Zugegeben: Das klingt jetzt alles sehr unbeschwert und leicht. Soll ja auch nur ein Beispiel zur Veranschaulichung sein. Aber im Kern trifft's die Sache schon. Ist 'ne Menge Arbeit, ich weiß. Aber es hat ja auch keiner gesagt, dass der Weg aus der Sucht einfach wird...

Also Amy: Raus aus dem Gestrüpp. Schnapp' Dir eine Machete und schlage Deinen ersten Trampelpfad frei [smile] .

Für heute Gute Nacht!
Papfl
„Der Hori­zont vie­ler Men­schen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nen­nen sie dann ihren Stand­punkt."
Albert Ein­stein (1879 - 1955)

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon Amygdala5 » 18. Mai 2013, 15:54

Hallo Papfl!

Sehr lieben Dank für Deinen konstruktiven und aufmunternden Beitrag!

Tja, mit der Wertschätzung (meiner Person) ist es nicht weit her, augenblicklich. Und Du hast Recht: Ich taper im Gebüsch herum, manchmal stecke ich sogar dort noch den Kopf in den Sand... Das Problem ist wohl auch der Umstand, dass mein gesamtes "Spinnennetz" komplett neu gebaut werden müßte... Ich habe noch immer nicht wirklich überwunden, jetzt alleine zu leben, nach siebzehn Jahren Partnerschaft fällt mir das noch immer sehr schwer. Mein gesamter ehemaliger Freundeskreis ist futsch und neue Freundschaften knüpfen sich nicht so schnell. Ich arbeite daran, aber es dauert halt. Und ich habe einige größere Baustellen, beispielsweise kann ich mein Haus jetzt alleine nicht mehr halten und bewirtschaften. Es bröselt mir buchstäblich unter den Händen weg. Ich bräuchte dringend ein neues Domizil, dafür müßte das Alte "abgewickelt" werden. Das ist alles Neuland für mich und vergrößert meine tendenziell immer vorhandene Angst tageweise ins Unermessliche... Also ab ins Gebüsch und den Kopf in den Sand gesteckt...

Über das Forum hier hab' ich einige Ärzteempfehlungen bekommen, alle etwas weiter weg. Derzeit fahr' ich kein Auto und tu' mich überhaupt schwer, unter Menschen zu sein, Herzrasen, Atemnot, das volle Programm eben. Mit dem Zug fahren?! Never! Also ab in die Büsche und bislang kein Baclofen. Das ist wahrscheinlich der größte Fehler und sollte vielleicht der erste zu schlagende Trampelpfad werden... Und wenn ich dann mal aus den Büschen hervor komme und tatsächlich kleinere Baustellen erfolgreich in Angriff nehme freut mich das nicht mal, sondern richtet den Blick auf die noch zu bewältigenden Berge vor mir... Husch, zurück ins Gebüsch, bloß nicht sichtbar werden...

Was mir Spaß macht? Tiere. Meine Tiere sind es auch, die mich halbwegs bei der Stange halten. Ich hab' seit dem Buch von Dr. Ameisen wieder begonnen zu lesen. Aber selbst dabei denke ich: Du solltest jetzt besser Deine Baustellen bearbeiten... Wenn ich Bier trinke, werde ich nicht so schnell und nicht so sehr breit, wie mit Brandy. Ich habe also viel Zeit, nachzudenken und manchmal glaub' ich, das ist auch Bearbeiten von Baustellen...

Das mit dem Zuwuchern der Saufautobahn könnte tatsächlich stimmen. Als ich doch wieder zum Brandy gegriffen habe, empfand ich die ersten Schlucke als ekelhaft, als ob man Rasierwasser trinken würde... Wie krank ist das, es dennoch zu tun?!

Wie schön, dass Du Deine alte Leidenschaft für die Sterne reaktivieren kannst! Ich dank' Dir für Deine Anregung und werde heute Abend mal beim in die Sterne schauen überlegen, welche neuen Trampelpfade ich mir freischlagen könnte!

Amy

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon Amygdala5 » 24. Mai 2013, 18:03

@ Papfl:

"...Selbstbetrug können wir gut. Hast Du schon mal versucht, diese Fähigkeit im positiven Sinne zu nutzen? Also quasi aus der anderen Perspektive heraus. Nach dem Motto: Eigentlich sollte ich jetzt gar nichts trinken. Wenn ich auf Therapie wäre oder in der Entgiftung, wäre jetzt absolut null, nix, niente angesagt. Bin ich aber nicht. Deshalb "darf" ich mir ein bisschen was genehmigen. Weinschorle statt puren Wein zum Beispiel. Ist zwar nicht der Knaller, aber immerhin besser als nichts..."

Das ist sehr hilfreich Papfl!!! Du hast dieses Zitat in einem anderen Thread geschrieben, ich möchte Dir gerne hier antworten, um den anderen Thread nicht mit off topic zu belasten.

In gewisser Weise entpuppt sich für mich derzeit die von Dir vorgeschlagene Strategie als "Langzeit-Strategie"... Seit Beginn des Jahres substituiere ich Brandwein. Zunächst mit Wein, seit Ende letzten Monats mit Bier. Faktisch habe ich meinen Promillepegel definitiv gesenkt, war aber mitnichten zufriedener mit mir...

Du sollst doch nicht, du darfst doch nicht, du willst doch nicht (?!?!), du solltest aber, reiß' dich doch mal zusammen und das plötzlich!!! Das schaffst Du nicht, das kannst du nicht, du mußt doch noch, nun reiß' dich mal zusammen!!!! Das ist doch nix, das bringt doch nix, du schaffst ja nix, du bist ja nix: Geh sterben!!!

Und dann: ...Ach: Scheiß 'drauf!!!


So ist das im letzten Jahr gelaufen.

Inzwischen kann ich mein - mich oft überwältigendes - "Bedürfnis nach Licht aus" - wie Conny es so treffend genannt hat - mit einer geringeren Promillezahl erreichen. (!)

Und seit ich hier kürzlich die letzten Tage irgendwo im Forum einen Link klickte und auf Henriette Walter stieß, halte ich meine Nase etwas höher in den Wind! Bis dato wußte ich nämlich noch nix über "Trinkmengenreduktion", kannte nur das, was einem in der Entgiftung und bei den AA's gesagt wird...

Derzeit also: Ich versuche mich 'runter zu trinken und derweil freundlich zu mir zu sein! Essen (sich nähren!!!) nicht vergessen, "Baustellenbearbeitung" klein und überschaubar halten, große Freude über mikrokosmische Erfolge...

Du siehst - neue Trampelpfade am Horizont!

@ Conny:

Heute habe ich (...endlich...) begonnen, Deine Buchempfehlung zu lesen! Die könnte auch für mich ein Meilenstein werden!

Hoffentlich hast Du den Besuch heil überstanden!


Liebe Grüße!

P.S. Nein, bislang noch immer kein Bac, obgleich ich gewillt bin, den Versuch zu starten. Mein Hausarzt ist im Urlaub, die hier genannten Adressen sind zu weit.

Und noch immer frage ich mich, ob mir Bac tatsächlich hilfreich sein kann. Und wobei genau?!

Amy

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon Amygdala5 » 3. Juni 2013, 23:41

Hi Forum!

Zwischenbericht: Seit einer Woche liegen hier ein Tablettenzerteiler, eine Pillendose und eine N3 - Schachtel Baclofen dura 10 mg Tabletten. Bislang unbenutzt... Ich bin gestürzt, mußte also gezwungener Maßen zu meinem Hausarzt. Ganz nebenbei hab' ich nach Bac gefragt. Das Medikament war bekannt, allerdings nicht im Zusammenhang
mit Alk. Die rote Liste wurde gezückt, die Nebenwirkungen wurden kurz vorgestellt und ich darauf hingewiesen, zunächst mal das Auto stehen zu lassen und bei Atemnot und Harnverhalten das nächste Krankenhaus anzusteuern und auf keinen Fall von jetzt auf gleich Bac abzusetzen, sondern langsam abzudosieren. Ansonsten: "Mußt Du halt mal
ausprobieren!" ...Kassenrezept sogar!!! ("Ärztekommentar: ...Das Zeug ist ja auch noch saubillig!")

Erst war ich ganz euphorisch und motiviert, mich jetzt (...aber zackzack...!!!) nüchtern zu pegeln und habe dafür auch tolle Anregungen hier im Forum bekommen. Aber dann vertrug ich das Schmerzmittel nicht, was mir für den Unfall verschrieben worden war... Also absetzen und Schmerzen haben war angesagt. Parallel dazu las ich die hier von Conny erhaltene Buchempfehlung, die eine schier unermessliche Fülle von Kindheitserinnerungen bei mir auslöste... Einen echten Gedankensturm.

Eine ungute Kombination, welche meinen Bierkonsum steigerte. Drei, vier Dosen sind es inzwischen, das blingbling bleibt aus, die Verzweifelung wird größer und das Bedürfnis nach "Licht aus" eigentlich so gar nicht (mehr) gestillt...
Bislang bin ich standhaft geblieben, laufe Stunden um Stunden mit dem Hund und beiße die Zähne zusammen. Von "Nase hoch tragen" kann allerdings derzeit nicht die Rede sein...

Von "nüchtern sein" auch nicht. Essen tu' ich auch nicht so wirklich - alles Mist, momentan.

Mal abgesehen davon, dass Nüchternheit wohl eine kluge Ausgangsbasis bei Bac ist, habe ich eine Scheißangst vor den Nebenwirkungen, die vielleicht auf mich zukommen könnten.
Harnverhalten - Atemnot - Krampfanfälle - das bekomme ich schon, wenn ich das nur lese! *verhaltengrins*

Die letzten Tage ging's mir nicht soo toll, ich hab' 'ne Rippenprellung und ich rauche Kette... Die letzten Nächte habe ich auf den Knien verbracht - anders lies sich der Raucherhusten nicht wuppen! Da jetzt noch Bac drauf kippen?! Nee! Besser wohl nicht.

Tröstlich ist, hier lesen zu können! So viele Erfahrungswerte, Lebensgeschichten, Wissen, Hoffnung, Humor...

Ich danke Euch!


Liebe Grüße von Boot zu Boot!

Amygdala

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon Chinaski » 4. Juni 2013, 08:33

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Zuletzt geändert von Chinaski am 21. Juni 2014, 11:33, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon Papfl » 4. Juni 2013, 10:10

Chinaski hat geschrieben:Was ich dir damit sagen möchte ist...fang mit deiner Therapie an!

Hallo Amy!

In Deinem Fall würde ich auch zu Chinaskis Tipp tendieren. Versuche, den Alkohol zu reduzieren und Baclofen langsam parallel dazu hochzudosieren. Du hast 10 mg Tabletten bekommen...dann würde ich mit 5 mg - 5 mg - 5 mg starten.

Mit Rippenprellung kannst Du ja im Moment wahrscheinlich nicht viel machen und hast jede Menge Zeit. Das ist für uns Alkis gar nicht gut [nea] . Da hast Du jetzt wahrscheinlich mit dem Trinkwunsch (psychisches Craving) genug zu tun, lass' Dir durch Baclofen wenigstens den Suchtdruck (physisches Craving) ein Stück weit nehmen.

Was die Nebenwirkungen betrifft: Da würde ich mir an Deiner Stelle echt keine all zu großen Sorgen machen, ein ordentlicher Kater, kalter Entzug oder auch die Rippenprellung sind um einiges schlimmer...wirst sehen.

Wenn Dich die Schilderungen über unangenehme Nebenwirkungen im Forum (noch) "abschrecken", dann bedenke bitte, dass diese überproportional hoch sind. Einfach aus dem Grund, weil man sich eher vor den Rechner setzt und schreibt, wenn es einem schlecht geht. Wenn's einem gut geht, hat man oft "Besseres" zu tun [smile] .

Probier's einfach mal aus...bei der niedrigen Dosierung von 5-5-5 kannst Du ja auch recht problemslos wieder absetzen, wenn's nicht so hinhaut, wie Du Dir das vorstellst.

Viel Erfolg und gute Besserung!

Papfl
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Albert Ein­stein (1879 - 1955)

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Re: Craving oder Trinkwunsch? Amygdala tastet sich weiter...

Beitragvon GoldenTulip » 4. Juni 2013, 10:34

liebe Amy,

ich bin da nicht so ganz der Meinung wie Chinaski und Papfl.

Sortieren wir mal, was so alles passiert ist seit dem 22.April, das sind exakt 6 Wochen:
- Du hast Dich entschlossen, das Alkoholproblem anzugehen.
- Du hast Dich hier im Forum angemeldet und über Dich geschrieben.
- Du hast deinen Hausarzt kontaktiert und sogar direkt Bac verschrieben bekommen.
- Du hast Deinen Konsum von Schnaps auf Bier runtergepegelt.
- Durch das Buch/ Kindheitserinnerungen kommt die psychische Verarbeitung von alten Gefühlen dazu.
- Dann hattest Du einen Unfall und hast Schmerzen.
- Was passiert, wenn bei Dir tatsächlich Komplikationen mit den NW auftauchen, ist noch nicht befriedigend geklärt.

Dafür allein braucht so manch anderer ein halbes Jahr.....

Durch den Druck: "Jetzt ist alles beisammen, nun muss ich nur noch loslegen" bricht leichte Panik bei Dir aus. Now it count's. Ich fühle mich aber noch gar nicht bereit dazu, fühle mich überrumpelt [ireful] [help]

Ehrlich gesagt, würde ich jetzt nicht in Hektik verfallen und in all der Irritation den nächsten Schritt machen, sondern erstmal versuchen, mich zu konsolidieren. Zu stabilisieren.

Ich würde abklären, was im Fall von bedrohlichen NW praktisch passieren soll. Kurzwahltaste Handy zum Arzt z.B., der weiß, worum es geht, wenn es klingelt.
Dann schauen, ob Du Dir eine therapeutische Unterstützung organisieren kannst, falls Du meinst, es ist zu heftig da allein durchzugehen.
Derweil den Bierkonsum niedrig halten, wenn es geht. In so emotional angespannten Spitzenzeiten ist ein Entschluss "Und jetzt hör ich auch noch ganz auf zu Trinken" nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Da muss man auch mal realistisch bleiben. Das schadet eher, jetzt direkt mit Bac anzufangen, weil man leicht auf die Idee kommen könnte: "Ach mit Bac hat es auch nicht geklappt. Ich bin ein hoffnungsloser Fall".
Dabei wäre es nur ein höchst ungünstiger Zeitpunkt für den Start. Das wäre schade.

Das ist meine höchstpersönliche, sicher angreifbare Haltung dazu- sie resultiert dabei aus meinen eigenen Erfahrungen.
Druck erzeugt Gegendruck, und den kann man selten wirklich gut gebrauchen.
Du hast schon soviel geschafft, Amy, dranbleiben und ein eigenes Tempo finden, lass Dich nicht hetzen. Von niemandem.

Lieben Gruß
Conny
Siegreiche Krieger siegen bevor sie in den Krieg ziehen, während Verlierer erst in den Krieg ziehen und dann versuchen, zu gewinnen. Sunzi.
Wenn Du nichts tun kannst, tu, was Du tun kannst. Conny.

In respektvollem Gedenken an Aaron Swartz http://de.wikipedia.org/wiki/Aaron_Swartz


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