Interview mit Sylvie Imbert, Assoc. Baclofène (Frankreich)

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DonQuixote
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Interview mit Sylvie Imbert, Assoc. Baclofène (Frankreich)

Beitragvon DonQuixote » 3. Juli 2014, 18:07

Guten Tag erst mal

Hier meine Übersetzung eines Interviews mit Sylvie Imbert, Präsidentin der größten französischen Baclofen-Patienten-Vereinigung „Association Baclofène“, erschienen am 18. Juni 2014 in „LE JOURNAL DES FEMMES“(*).

Interview mit Sylvie Imbert hat geschrieben:
Sylvie Imbert, ehemalige Alkoholikerin und heute Präsidentin der „Association Baclofène“, freut sich über die offizielle Anerkennung der Baclofen-Therapie gegen Alkoholismus, auch wenn es manchen Patienten noch immer Mühe bereitet, eine Verschreibung des Medikaments erlangen.

Nun ist es offiziell: Die Gesundheitsministerin Marisol Touraine ermöglichte die Erstattung des Medikamentes durch die Krankenversicherung. Ein großer Fortschritt und eine Erleichterung für die Patienten und die Verfechter dieser Therapie, darunter Sylvie Imbert, Präsidentin der “Association Baclofène“.

  • Was meinen Sie zum Erlass von Gesundheitsministerin Marisol Touraine, die Kosten des Medikaments Baclofen zur Behandlung des Alkoholismus zu erstatten?
    Sylvie Imbert: Ich bin hoch erfreut, dass Baclofen nunmehr anerkannt ist. Es ist das erste Mal, dass ein Regierungsmitglied sich dazu äußert und die Wirksamkeit von Baclofen bestätigt. Ja, es ist eine sehr große Genugtuung! Auch die Kostenerstattung ist eine sehr gute Sache. In Tat und Wahrheit kam bereits vor der Erteilung der vorgezogenen, auf drei Jahre befristeten Zulassung (RTU) die Mehrheit der Patienten (60%) in den Genuss einer Kostenerstattung. Ermöglicht hatte dies ein Stillschweigendes Abkommen zwischen den Ärzten und den Versicherern, die in dieser Sache oft beide Augen zudrückten … Allerdings nicht immer, und außerdem war das auch von Region zu Region unterschiedlich. Das führte dann dazu, dass z.B. Sozialhilfeempfänger, die über kein Budget für solche Mehrausgaben verfügten, die Kosten selber tragen mussten. Kosten, die besonders bei hohen Dosierungen für solche Personen nicht unerheblich waren, sie sehr belasteten und sie nicht selten zur Aufgabe der Therapie zwangen.
  • Gibt es Fortschritte bei den Ärzten und insbesondere auch bei den „Anti-Baclos“?
    Ja, Fortschritte gibt es, allerdings auch noch immer weiterbestehende Vorbehalte. Die Gegner hatten sich vehement gegen diese Therapie gestemmt und haben auch bisher noch kein Vertrauen in sie fassen können. Nicht wenigen Patienten gelingt es auch heute noch nicht, ihren Arzt davon zu überzeugen … Besonders dann, wenn sie sich an einen Suchtmediziner oder an eine entsprechende Einrichtung wenden. Es kommt auch vor, dass ein Arzt das Medikament zwar verschreibt, die maximale Dosis aber beschränkt, was dann wiederum zu einer erfolglosen Therapie und deren Abbruch führt. Für manche Ärzte verstörend ist auch der Umstand, dass Baclofen die Alkoholabhängigkeit beenden kann, ohne dass zwangsläufig Abstinenz damit einhergeht.
  • Welche Rolle spielt heute eine Patientenvereinigung wie die Ihre?
    Nunmehr können alle Ärzte Baclofen zur Behandlung des Alkoholismus verschreiben. Das Hauptproblem besteht jedoch darin, dass es ihnen an entsprechendem Wissen, Erfahrung und Rückhalt fehlt. Auch heute noch sind die Patienten in den Selbsthilfeforen so präsent wie eh und je. Sie tauschen sich z.B. über Fragen der Dosierung aus und geben sich nützliche Tipps bei Problemen, die im Verlaufe der Behandlung auftreten. Vor allem denke ich, dass die Patienten moralische Unterstützung und Diskussionen unter Mitbetroffenen suchen. Manche glauben z.B., dass das Medikament eine Art „Wundermittel“ sei, welches auf der Stelle wirke. Dort kann man dann unterstützend auf sie eingehen und ihnen erklären, dass Geduld erforderlich ist und vor allem, dass sie sich nicht selbst mit Schuldgefühlen belasten dürfen.
  • Besonders wenn sie mit Nebenwirkungen zu kämpfen haben …?
    Ja, natürlich. Nebenwirkungen kann man nicht verleugnen und sie treten in unterschiedlicher Art und Intensität bei 80 % der Patienten auf. Bei einigen sind sie harmlos, bei anderen wiederum stärker ausgeprägt. Die Rolle unseres Forums ist es, diesen Personen Tipps zu geben, wie sie solchen Nebenwirkungen am besten begegnen. Z.B. indem wir ihnen raten, den Alkoholkonsum zu minimieren, weil der die Nebenwirkungen des Medikaments verstärkt. Aber auch um ihnen Mut zu machen und ihnen zu erklären, dass die Nebenwirkungen im weiteren Verlauf der Behandlung meistens nachlassen. Anzumerken bleibt, dass sehr viele Patienten während der Baclofen-Therapie berufstätig sind. Angesichts dessen, dass es für diese Behandlung des Alkoholismus keine Krankschreibung gibt, ist es besonders wichtig, solche Personen zu unterstützen …

Die Schilderungen von Sylvie Imbert betreffen natürlich die Verhältnisse in Frankreich und dies drei Monate nach der dortigen offiziellen Zulassung (RTU). Vieles davon lässt sich aber auch auf uns in Deutschland übertragen.

Bien à vous, DonQuixote
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agnesl
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Re: Interview mit Sylvie Imbert, Assoc. Baclofène (Frankreich)

Beitragvon agnesl » 3. Juli 2014, 18:27

Vielen lieben Dank DonQ,
für deine,für nicht französisch sprechenden Mitleidensgenossen/innen.
Das Interview ist schon sehr interessant.
Es freut auch,daß sie es erwähnt,daß der Austausch im Forum schon alleine vielen Menschen,Hoffnung und zugleich den ersten Halt für ein zukünftiges Weitermachen,gibt.
Danke nochmals [good]
lg
agnesl


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