Mögliche Nebenwirkungen: Atemdepression und Schlaf-Apnoe

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DonQuixote
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Mögliche Nebenwirkungen: Atemdepression und Schlaf-Apnoe

Beitragvon DonQuixote » 17. Juni 2016, 17:06

Seid gegrüßt

Neu erschienen ist soeben eine Studie, welche auf den ersten Blick ein unvorteilhaftes Licht auf die Baclofen-Therapie der Alkoholabhängigkeit werfen könnte:

Zunächst die „Gretchen-Frage“: Muss uns das beunruhigen? Die Antwort ist ganz eindeutig Nein, und das aus verschiedenen Gründen, die ich nachstehend aus meinem Laien-Wissen heraus zu erklären versuche. Bitte korrigiert mich, falls ich da zu sehr vereinfache [smile] .

Schlaf-Apnoe ist im Grunde eine „Sonderform“ der Atemdepression. Und dass Atemdepression eine längst bekannte und auch häufige (1 - 10 %) Nebenwirkung von Baclofen sein kann, ist längst bekannt, nachzulesen in allen Online-Beipackzetteln und auch in der „Mutter aller Baclofen-Beipackzettel“, d.h. in der (deutschsprachigen) Fachinformation zu Lioresal® von Novartis.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Schlaf-Apnoe und einer Atemdepression?

Eine Atemdepression nimmt man bewusst wahr. Es ist etwa so, wie wenn man durch normales (spontanes) Atmen zu wenig Luft kriegt und sich geradezu dazu zwingen muss, ab und zu tiefer und kräftiger einzuatmen, man verspürt subjektiv eine gewisse Lähmung respektive Insuffizienz der Atemmuskulatur (oder sonst was) und muss quasi von Zeit zu Zeit regelrecht „nach Luft schnappen“. Diese Nebenwirkung verspürte ich bei (zu) hoher Dosierung auch selbst, insbesondere in Ruhestellung, d.h. vor dem Einschlafen, das war wirklich total ekelig. Diese Nebenwirkung verschwand bei mir aber sofort, nachdem ich die Baclofen-Dosis wieder etwas reduzierte und danach etwas langsamer erhöhte.

Eine Schlaf-Apnoe hingegen bemerkt der Betroffene in der Regel nicht unmittelbar selbst. Es sind meist die indirekt Betroffenen (z.B. Lebenspartner), die darauf aufmerksam werden und feststellen, dass der Patient z.B. unruhig schläft, dass er im Schlaf manchmal Atemstillstände hat, welche sich dann oft in einem für Außenstehende beunruhigenden "Schnarchlaut" oder Stöhnen entladen. Schlaf-Apnoe kann das Ruhebedürfnis der Patienten extrem beeinträchtigen und zu entsprechender Tagesmüdigkeit bis hin zu Sekundenschlaf führen.

Tagesmüdigkeit bis hin zu Sekundenschlaf? Ist das nicht generell eine mögliche Nebenwirkung von Baclofen? Ja, schon, aber sind da jetzt alle davon betroffenen Baclofen-Patienten mit Tagesmüdigkeit bis hin zu Sekundenschlaf gleich vom Schlafapnoe-Syndrom heimgesucht? Nein, natürlich nicht. Und ist ein Schlafapnoe-Syndrom, unter welchem Baclofen-Patienten leiden, immer gleich die Ursache (Nebenwirkung) des Medikaments Baclofen an sich? Nein, natürlich auch nicht. Schlaf-Apnoe kann ganz vielfältige Ursachen haben, ich zähle nachstehend mal einige für uns wichtige auf:

  • Adipositas (Übergewicht)
  • Konstitutionelle Erschlaffung der Rachenmuskulatur, Veranlagung
  • Alkoholkonsum, Schlafmittel, Opioide, Nikotin, Ecstasy
  • Und viele andere mehr, welche hier nicht aufgelistet sind.
Zurück zum eingangs verlinkten Fachartikel. Der spricht nicht von „normaler“ (obstrukiver) und damit der häufigsten Schlaf-Apnoe (OSAS), sondern von der „zentralen Apnoe“ (ZSAS). Die Forscher meinen nämlich herausgefunden haben, dass bei den vier von ihnen untersuchten Patienten alle sonstigen Ursachen ausgeschlossen werden konnten, und wenn lediglich noch das Medikament Baclofen die Ursache sein kann, man dann nur noch von einem ZSAS sprechen könne. Nun gut …

Sprechen wir mal darüber. Baclofen wird seit Jahrzehnten (teilweise auch in hoher Dosierung) z.B. für die Behandlung einer Spastik angewandt. In den letzten Jahren, d.h. seit ca. 2008, kam auch die Behandlung der Alkoholabhängigkeit hinzu, wodurch sich die Verkaufszahlen (und Anwendungen) vervielfachten. Da ist es nur natürlich und richtig, dass in Sachen Nebenwirkungen und Medikamentensicherheit von Baclofen (auch in hoher Dosierung) vermehrt geforscht und publiziert wird. Veröffentlicht wurde nun also eine Einzelfall-Serie mit vier (!) Patienten. Soll und das angesichts einer 6-stelligen Zahl von bisher mit hoch dosiertem Baclofen gegen ihre Alkoholkrankheit behandelten Personen beunruhigen?

Ich sage nochmals: Nein. Setzt das ruhig auch mal ins Nutzen-Risiko-Verhältnis und bedenkt, dass alleine in Deutschland täglich ca. 40 Personen an den Folgen der Alkoholkrankheit sterben, andere Schätzungen liegen sogar noch sehr viel höher. Lassen wir uns also durch diese neue Studie nicht verrückt machen. Man sollte sie allerdings als Hinweis (und nicht mehr als das!) für behandelnde Ärzte und für Patienten sehen, den Nebenwirkungen Atemdepression und Schlaf-Apnoe bei der Behandlung der Alkoholabhängigkeit mit Baclofen eine gewisse Aufmerksamkeit zu schenken.

DonQuixote

P.S. „Apnoe“ spricht man übrigens dreisilbig aus, also „Ap-no-e“ und nicht etwa zweisilbig und mit Umlaut wie „Ap-nö“.

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